Milenasong - Seven sisters

Monika / Indigo
VÖ: 05.01.2007
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die Schatten ihrer selbst

Spieluhren, diese Nachtwächter der Erinnerung, können zu einem seltsamen Rudiment der Vergangenheit werden. Verpackt in irgendwelche Kartons werden sie überallhin mitgenommen. Verstaubt auf irgendwelchen Regalen werden sie die meiste Zeit vergessen. Dann aber, zu raren Augenblicken, wird doch immer wieder jener Mechanismus in Gang gesetzt, der einstmals die Phantasie des Kindes beflügelt hatte und jetzt nur noch das Gedenken an dieses Kind in Schwingung versetzt. Die Zahnräder drehen sich, schmirgeln und rattern aneinander, die Bewegungen der Figuren werden irgendwann eckiger, stottern wie die eigene Erinnerung. Doch sie kreisen noch immer, nach all den Jahren. Die Spieluhr von Sabrina Milena alias Milenasong ist schon seit geraumer Zeit ihr Vierspurgerät. Seit ihrer frühsten Jugend hat sie es überallhin getragen, hat es von Oslo nach England und Berlin geschleift. Und hat es schließlich geschafft, die Tiefe und die Nostalgie all dieser Bewegungen mit auf die Bänder zu schmuggeln.

So klappern die Songs auf "Seven sisters" wie ein sich in die Unendlichkeit hinein verlangsamendes Perpetuum Mobile. Irgendetwas, irgendein Geheimnis, hält sie ständig am Laufen und davon ab, in sich zusammenzusacken. Oder einfach stehenzubleiben. Die Gitarre auf "Love feel you do" spielt ein dunkles Metronom zwischen Nachhall und Erinnerung, in dem die dürre Spannung vor dem nächsten Anschlag die Töne vibrieren lässt. "Casey on fire" tritt im Hamsterrad gegen die Ewigkeit an, ein sinnloses Rennen, das auf beiden Seiten verloren wird. Bei "Figs tree" springt eine gut angeschiggerte Nadel zum Eiertanz mit Flöten, Klavier und Streichern auf den Plattenteller. Dreht sich und dreht sich, strauchelt … und dreht sich weiter. Im Spukhaus von "How ode" klopft es verkehrt herum unter den Bodendielen. Hinten in der Ecke prostet der leere Frack von Fred Astaire vergnügt dem Kaminfeuer zu. Auch die Geister scheinen gut drauf, pfeifen mit dem Wind, und der Song fliegt mit ihnen durch die Räumlichkeiten. Schließlich öffnet der gebetsmühlenartige Singsang von "Seventeentwentysix" einen Erinnerungsstrudel im Vertigo-Design, in den das Album fällt und fällt und fällt.

Zwischendurch schüttelt sich Milenasong mit "Thirty" und "Standby" kurzzeitig den Kopf frei. Hier schlagen Banjos, verschnörkelte Pickings und Mundharmonikas Wurzeln im amerikanischen Alternative-Folk und brechen bei "Lily Wyatt" zu einem angegrungeten Riff und einer The-Cure-Gitarre durch die Tanzfläche wieder aus dem Erdreich heraus. Insgesamt aber ist es die Verbindung von Rastlosigkeit und Geheimnis, Spuk und Erinnerung, die "Seven sisters" aufs Innigste zusammenhält. Oft sind die Songs nur die Schatten ihrer selbst. Das unmerkliche Flackern der Moleküle im Raum, nachdem etwas aus ihm herausgetreten ist. Das Pochen aber, der schiefe grausame Takt darunter hört niemals auf. Es schlägt, das Herz dieser Songs. Leiser und leiser und leiser.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Thirty
  • Lily Wyatt
  • Something else
  • Figs tree

Tracklist

  1. Sara
  2. Casey on fire
  3. Thirty
  4. Nightlost trains
  5. Lily Wyatt
  6. Something else
  7. Love feel you do
  8. Figs tree
  9. How ode
  10. Seventeentwentysix
  11. Standby
  12. All this beautiful light
Gesamtspielzeit: 45:44 min

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