Au Revoir Simone - The bird of music

Moshi Moshi / Cooperative / Rough Trade
VÖ: 16.02.2007
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Ein unmoralisches Angebot

Der gute alte Sex hat selbst im Zeitalter von sprechenden Fernbedienungen und Bratkartoffeln aus der Dose alle Fäden in der Hand. Auch das Musikgeschäft kennt gewisse ungeschriebene Gesetze, die bei richtiger Anwendung zum vollen Erfolg führen. Stehen große Brüste und schmale Hüften im rechten Licht, so bedarf es bei diesem "gesunden Selbstbewusstsein" nicht mal mehr an Schulbildung.

Natürlich findet sich auch eine andere Seite: Die Anspruchssuggestionshochburg der weltweit agierenden Independentbewegung hält ihre Mädels offensichtlich medienkeusch. Schaut man auf die drei zärtlichen Cousinen von Au Revoir Simone, verstecken diese ihre weiblichen Rundungen unter langen Gewändern oder baumgewollten Nachthemdchen und verleihen sich selbst zauberhaften Elfenstatus. Natürlich gehaltene Hübschgesichter blicken nachdenklich auf den Boden und reflektieren sich in ihrem Mauerblümchendasein bestimmt selbst zur Schnecke. Aber ist das jetzt alles so lieblich, schüchtern und unschuldig wie dargestellt? Was ist mit diesem heimlich freigelegten Mehr an Haut? Ist die gute Seite der Macht auch dieser niederen Gesetzschreibung unterlegen? Und wieso verdammt noch mal schaut das bei Au Revoir Simone so aus, als habe Weichzeichner und Softpornoguru David Hamilton seine schmierigen Finger mit im Spiel?

Bevor sich der Leser aber nun in lesbischen Fantasien windet und der Rezensent selbst Opfer der Klischeefalle wird, lassen wir diese Analyse ruhen und widmen uns den bisherigen Errungenschaften dieses flotten Dreiers. Mit "The bird of music" veröffentlicht das Trio aus New York seinen ersten Longplayer. Zwei Keyboards, ein schmales Drumkit und dreistimmige Vocals reduzieren das Instrumentarium auf das Nötigste. Dass man gebannt auf jeden nächsten Song von "The bird of music" wartet, wäre weitaus übertrieben, denn "The lucky one" verhält sich genau so unschuldig, wie Promotion und Covergestaltung es nicht anders in die Wege geleitet haben. Ein verhuschtes, phasenverschobenes Glockenspiel eiert vor sich hin und badet nur oberflächlich im Experiment. Schmerzlose Keyboardsounds erringen die Hauptrolle und verweisen auf naive Mädchenträume, die mit tanzenden Naturfreunden und langen, weißen Laken der Harmonie zu sehr auf die Pelle rücken. "So let the sunshine / So let sunshine / Let it come", trällert der vergnügte Amateurchor. Selbst der glücklichste Optimist wird hier die Segel streichen.

Das textlich verhunzte Endzeitszenario "A violent yet flammable world" mit faszinierend schlechtem Billigbeat oder die androgyne Schmalspurelektronik mit dürftigen Hooklines von "I couldn’t sleep" können den Karren nicht aus dem Dreck ziehen. Dass die Band kurz vor Toreschluss wirklich mal begeistern kann, mag man kaum für möglich halten. Aber sowohl "Dark halls", "Night majestic" als auch "Stars" entpuppen sich als drei fantastische Uptempo-Pop-Songs, die vollends im Saft der Eighties stecken und mit ekstatischem Chorus das Tanzbein schwingen. Letztlich ist "The bird of music" eine völlig harmlose Spielübung mit dahinplätschernden Synthesizern und tristen Beats, die durch das Idyll der übertriebenen Arglosigkeit ein Wohlgefühl zur angestrengten Nervenübung macht und zu selten mit melodiösem Feuer um sich schießt . Den adretten Lockmitteln kann man derweil noch eine Weile nachstieren. Immerhin.

(Markus Wollmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Night majestic
  • Stars

Tracklist

  1. The lucky one
  2. Sad song
  3. Fallen snow
  4. I couldn't sleep
  5. A violent yet flammable world
  6. Don't see the sorrow
  7. Dark halls
  8. Night majestic
  9. Stars
  10. Lark
  11. The way to there
Gesamtspielzeit: 45:00 min

Im Forum kommentieren

Wolkenkuckucksheim

2009-03-01 15:35:46

Sie kommen wieder. freu*

am 29. April Berlin Admiralspalast

onomato

2007-02-13 16:23:51

Och, immer diese überzogenen Forderungen. Da muss mal jemand ein Gegengewicht setzen. Das ist doch einfach nur süßlich - und bisweilen unglaublich langweilig. Kann man bewusst mal übersehen diese Band. Danke.

wacko

2007-02-13 15:55:11

Och, fünf Punkte sind doch daneben. Dass hier in Germanien immer alles Eiskaltelektro oder Frustschmachtheulomat sein muss... Das ist einfach nur niedlicher Pop, ungefähr Twee im Quadrat, ok, aber als solcher ist er mindestens 'ne 7!!!

rainy april day

2007-02-09 13:30:56

Och, ich mag die Platte auch ganz gerne. Wunderschöner Gesang, aus der sparsamen Instrumentierung wird das Beste rausgeholt, viele Melodien bleiben im Ohr. 7/10 würde ich geben,glaube ich.

Armin

2007-02-09 12:54:40

Schlecht sagt ja auch keiner. 5/10 heißt "Durchschnitt", und gerade den Tenor der Rezension finde ich sehr angemessen.

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