Mira Calix - Eyes set against the sun
Warp / Rough TradeVÖ: 19.01.2007
Grauer Star
Ein kleiner Bach plätschert. Wind rauscht in den Bäumen. Äste zerbrechen leise knackend, und im Hintergrund zwitschern die Vögel. Auf der Jagd nach Klangmaterial wandert Mira Calix tief in den englischen Wald. Miraculum, miracle, Miraculix - schon der Name der Musikerin beschwört unerklärliche Phänomene und Wunder. Wie eine kreative Waldfee begibt sich die Südafrikanerin Chantal Passamonte, so heißt Calix eigentlich, mit einem kleinen Aufnahmegerät ins Dickicht der unberührten Natur. Die Melodie, etwa zu dem Song "Protean", summt ihr aber schon vorher im Kopf. Zurück am heimischen Schaltpult im nördlich von London gelegenen Suffolk werden die Aufnahmen mit herkömmlichen Instrumenten und leisem Gesang ergänzt und ein ganz besonderer Zaubertrank gemischt: Die 10 Titel auf "Eyes set against the sun" sind hypnotisch-ruhige, avantgardistische Kurzhörspiele, die ihre volle Wirkung nur entfalten, wenn man sie mit Kopfhörern in einem dunklen Raum hört. Unter der Bettdecke oder im unbeleuchteten Treppenhaus geht's aber auch.
Dass es Mira Calix besonders auf die Zwischentöne ankommt, auf Pausen und Stille, zeigt schon der Name ihres dritten Longplayers: Die genau drei Leertasten lange Lücke inmitten des Titels ist beabsichtigt. Herkömmliche Songstrukturen werden aufgelöst. Die Tracks gehen ineinander über, sind mal sehr lang oder mal sehr kurz. Alle Alben und auch eine Peel-Session der trickreichen Klangkünstlerin erschienen beim renommierten englischen Warp-Label, der Qualitätsmarke für innovativen Electronic-Kram. Ihr Mann Sean Booth ist die eine Hälfte des Duos Autechre, seit 1993 ebenfalls ein Warp-Act. Doch wo Autechre vor allem Computer-Frickler sind, die schnelle Beats mit kleinen Melodien verbinden, holt sich Mira Calix viele ihrer Inspirationen in der klassischen Musik. "Eyes set against the sun" entstand mit Unterstützung einer professionellen Violinistin, eines klassischen Orchesters und des Kinderchors des kleinen englischen Städtchens Woodbridge. Ihre Musik wurde daher schon des Öfteren in die Nähe moderner Komponisten wie Philip Glass oder Karlheinz Stockhausen gerückt.
Nicht ganz so leichte Kost also. Im nur knapp anderthalb Minuten langen Titel "A cereus night" etwa scheppert lediglich eine unregelmäßig gedrehte Spieldose. Doch der nach einer Kakteenart benannte Song bietet mehr, wenn man sich nur darauf einlässt. Im Hintergrund hallt, ruft und klappert es und so entstehen ganz eigentümliche Bilder im Kopf. Ein anderes Beispiel: Das Stockholm-Syndrom bezeichnet nicht nur das psychologische Phänomen bei Entführungsopfern, die ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Geiselnehmern aufbauen, sondern ist auch ein Titel bei Mira Calix. Eine dumpfe, synthetische Bassline zieht sich durch das Stück, wird mit kurzen, sich ständig wiederholenden Samples ausgeschmückt während darüber eine gequälte Stimme von sonnigen Tagen singt. Auch wenn man sich hin und wieder an die skandinavischen Sängerinnen Stina Nordenstam, Björk oder die Zwillingsschwestern Kristín Anna und Gyða Valtýsdóttir von Múm erinnert fühlt, allein Mira Calix baut so vielschichtige, verschwommen-düstere Klangwelten auf, die sich oft nur schwer erschließen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The way you are when
- A cereus night
- Tillsammans
Tracklist
- Because to why
- The Stockholm syndrome
- A cereus night
- Eeilo
- Protean
- The way you are when
- Tillsammans
- Umbra/penumbra
- Belonging (No longer mix)
- One line behind