Brand New - The devil and God are raging inside me

Interscope / Universal
VÖ: 19.01.2007
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Ganz im Gegenteil

"I am not your friend, your lover or your family, yeah", keift es verstörend, trotzig und angepisst aus den Boxen. Meine Güte, was ist denn nun los? Warum denn gleich so böse? Man könnte fast meinen, die beiden auf dem Cover des Albums abgelichteten Jungs mit ihren Horrormasken hätten beim letztjährigen "Trick or treat" nichts abbekommen. Doch es scheint schon um einiges tiefgründiger zu sein. "Nothing gets so bad that a whisper from your father couldn't fix it. / He whispers like a bridge / It's a river spanned." Gleich der Auftakt in Form von "Sowing season (Yeah)" lässt erahnen, daß sich im Hause Brand New einiges getan hat. Bestanden die einzelnen Schritte der Entwicklung in dem bisherigen Schaffen der Band noch unter anderem darin, sich von unkomplizierten Poppunk-Gefilden mehr in Richtung des (damals) hippen Emorocks zu manövrieren, hat man nun ein ganz anderes Kaliber zustande bekommen.

"The devil and God are raging inside me" hat mit den beiden vorherigen Longplayern "Your favourite weapon" und "Deja entendu" nur noch wenige Gemeinsamkeiten. Drei Jahre hat sich das New Yorker Quartett Zeit gelassen. Von der Anfangseuphorie des Songwritings über den mittendrin vollzogenen Produzentenwechsel bis hin zu zwischendurch im Internet aufgetauchten Demos und der letztlich nun vorliegenden knappen Stunde Rockmusik war es ein langer Weg. Doch es hat sich gelohnt. Das Majordebüt von Brand New weiß absolut zu gefallen.

Der eingangs erwähnte Opener "Sowing season (Yeah)" ist ein Paradebeispiel in Sachen laut/leise. Scheinbar ziellos plätschert der Song mit gedämpften Gitarrenklängen und traurigem Gesang umher, bevor Brand New kurzzeitig gepflegt austicken, nur um danach wieder in schleichende Melancholie zu verfallen. Letztere ist auch in "Millstone" Trumpf. "Take me out tonight / This ship of fools I'm on will sink / I'm my own stone around my neck / If you'd be my breathe there is nothing I wouldn't give." Leiden auf hohem Niveau.

Brand News aktuelles Liedgut lebt von den Wendungen, mit denen man so schnell nicht rechnet. Jenseits der Standardstruktur eines Songs wird Bekanntes aufgerissen und auf spannende Art und Weise etwas Neues geschaffen. Sphärisch und wohlig düster kommt ein exquisites Stück wie "Jesus Christ" daher. Simpel instrumentiert und fast schon flüsternd vorgetragen zeiht es den Zuhörer in seinen Bann. Fesselnd. Und das obwohl oder gerade weil der irgendwie irgendwann erwartete Ausbruch oder Tempowechsel ausbleibt. Faszinierend und dahingehend das Gegenteil vom nicht minder famosen "You won't know", das in seinen knapp sechs Minuten fast sämtliche Metamorphosen durchmacht, die möglich sind. Verfrickelte Gitarrenparts, episch angehauchte Soundteppiche und stets zwischen hammerhart und hauchzart hin- und herpendelnd entwickelt sich auch ein Achtminüter wie "Limousine" zum Grower. Dagegen wirken flotte Nummern wie "Not the sun" oder "Archers" beinahe schon poppig einfach. Einfach schön: Der mehrstimmige Backgroundgesang im Refrain "Degausser". Wahrlich anziehend. Vielleicht wird's ja doch noch was mit Freunden, Geliebten und Familien.

(Jochen Gedwien)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Sowing season (Yeah)
  • Jesus Christ
  • Degausser

Tracklist

  1. Sowing season (Yeah)
  2. Millstone
  3. Jesus Christ
  4. Degausser
  5. Limousine
  6. You won’t know
  7. Welcome to Bangkok
  8. Not the sun
  9. Luca
  10. Untitled
  11. Archers
  12. Handcuffs
Gesamtspielzeit: 54:50 min

Im Forum kommentieren

Eliminator Jr.

2024-10-01 16:55:19

Endlich Herbst, endlich Brand New hören.

Gomes21

2024-10-01 15:36:54

Ich kann so ziemlich jeden Grund nachvollziehen warum das jemand für sich selbst auf die eine oder andere Weise entscheidet, aber man kann daraus doch keine Toleranz für die Verfehlungen der Künstler ableiten, das ist dann letztendlich nur eine Projektion des eigenen Verständnisses von "Werk und Autor".

VelvetCell

2024-10-01 14:43:22

Da wird sich ja kontrovers drüber gestritten.

Zum Beispiel, wenn ich sage, dass ich da sehr robust bin, Werk und Autor voneinander trenne und ohne schlechtes Gefühl Arcade Fire, Ryan Adams, Brand New und von mir aus sogar Burzum hören kann.

Selbst die Beatles höre ich mir an, obwohl Lennon doch ein Frauenschläger war.

Gomes21

2024-10-01 14:04:44

Moment, dass man ein Album noch hören will oder kann hat nichts, aber auch überhaupt gar nichts damit zu tun, dass man irgendein Tun eines der Protagonisten irgendwie abschwächt oder durchgehen lässt, sondern lediglich damit inwiefern man in der Lage ist Werk und Autor zu trennen. Und da muss man auch gar keine stringente Linie haben, das funktioniert in den Meisten Fällen individuell und intuitiv bzw. mal besser mal schlechter. Ryan Adams wäre für mich ein Beispiel bei dem es für mich nicht mehr funktioniert, das hat überhaupt nicht mit der Schwere der Vorwürfe udn noch nicht mal direkt mit dem eigenen moralischen Kompass zu tun.

fluppeaufex

2024-10-01 10:53:25

@gomes

Leider kann man hier ja nix editieren sonst hätte ich meinen Post etwas abgeschwächt. Das klingt viel harscher als es gemeint ist, ich finde es nur immer interessant wie man für sich entscheidet was man Künstler*innen durchgehen lässt und was nicht. So ein bisschen sexuelle nötigung ist ok? Sexueller Machtmissbrauch? "ach was, die Opfer wissen worauf sie sich einlassen". ect pp.

Konkret gefragt: wo ist die Grenze?

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum