Manic Street Preachers - Know your enemy
Epic / SonyVÖ: 19.03.2001
Verlorene Seelen
"Can anyone write a protest song?" Auch auf ihrem sechsten Album bemühen sich die Manic Street Preachers weiterhin, diese Frage mit einem lauten "Ja!" zu beantworten. Man ist schließlich nicht zum Sozialisten geworden, um von seinen Idealen abzulassen, nur weil man Platten wie geschnitten Brot verkauft. War man auf dem letzten Album noch auf der Suche nach der Wahrheit, fordert man die verlorenen Seelen nun auf, ihren Feind zu kennenzulernen, der da auf den Namen U.S.A. hört. Beherzt spuckt man dem Volk, das eine Bedienungsanleitung für Wahlscheine zu brauchen scheint, vor die Füße. Das passende Album, wohl nicht zufällig nach einem Song der zumindest geistesverwandten Rage Against The Machine benannt, feierte seine Live-Premiere - ebenfalls nicht wirklich willkürlich - ausgerechnet auf Kuba.
Ob dem maximo líder Fidel Castro eher die breitwandigen Epen der letzten Alben oder die bisweilen knarzigen Stücke von "Know your enemy" zusagten, soll uns nicht interessieren. Trotz allen politischen Anspruchs zeigen sich die Manics jedenfalls einmal mehr als aufrechte Melodie-Kapitalisten. Auch wenn die epische Breite und die dezente Verplüschtheit von "This is my truth tell my yours" der Vergangenheit angehören, gibt es auch hier wieder Hymnen, die der Klassenkämpfer zur melancholischsten aller Revolutionen pfeifen kann. Die Errettung der Welt geht dank süßlichen Ohrwürmern und angeschrägten Popsongs stetig voran.
Nicky Wire, Chef-Ideologe vom Dienst, weiß dazu von vielen schlimmen Dingen zu berichten: vom armen "Baby Elian", welches dem Vater geraubt wurde, und von Paul Robeson, der im McCarthy-Regime vor die Hunde kam. Dazu krachen die Gitarren, als hätte man gestern erst gegen den Schah demonstriert. Dann wiederum erinnert man an Zeiten, als man beim Stichwort New Wave noch nicht dabei sagen mußte, welche neue Welle denn nun gemeint war. Mehr als einmal klingt man dadurch wie die Gruppe um einen gewissen Michael Stipe in ihren Anfangstagen. "Wir sind so weit wie nur irgend möglich von allem aus den 80ern weg", ließ einst Richey James verlauten. So schlecht scheinen die Achtziger aber dann doch nicht gewesen zu sein.
James Dean Bradfield singt aber auch in der Jetztzeit bittersüße Melodien zu Weisheiten wie "There's no escape / Except through my hate". Subtilität ist den drei Walisern auch im Jahre zehn nach der Veröffentlichung ihrer Debüt-EP ein Fremdwort. Wen aber stört das, wenn dabei großartige Hymnen wie "Epicentre", "Ocean spray" oder "The year of purification" dabei herauskommen? Wer nimmt Anstoß, wenn einem "Found that soul" oder "Intravenous agnostic" so herzhaft auf den Fuß steigen? Beim herrlich knurrigen "Wattsville blues", beim arschwackelnden "Miss Europa disco dancer" und beim grinsend übersteuerten "My Guernica" beginnt man, selbst der teilweise arg schepprigen Produktion etwas abgewinnen zu können. Aber zurück zum Anfang: "Can anyone write a protest song?" war die Frage. Die Antwort lautet mal wieder "Ja." Das Ausrufezeichen aber bleibt den Manics weiterhin vorenthalten. Die bösen Jungs sind nämlich noch immer die anderen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Found that soul
- Ocean spray
- Epicentre
Tracklist
- Found that soul
- Ocean spray
- Intravenous agnostic
- So why so sad
- Let Robeson sing
- The year of purification
- Wattsville blues
- Miss Europa disco dancer
- Dead martyrs
- His last painting
- My Guernica
- The convalescent
- Royal correspondent
- Epicentre
- Baby Elian
- Freedom of speech won't feed my children
Im Forum kommentieren
kingsuede
2024-01-14 20:05:07
Für mich rundet es zusammen mit der Best of und der Lipstick Traces die zweite Phase der Manics ab.
Gordon Fraser
2024-01-14 19:45:25
Ein Album, das für mich so ein bisschen im Niemandsland der Manics-Diskographie verortet ist. Chronologisch kamen davor und danach ausschließlich Karrierehighlights, hier sehe ich wie ihr auch nur einzelne starke Songs, aber nicht das gelungene Gesamt-Album.
Von dem 2022er Ding wusste ich bis eben nichts, wäre mir auch lieber gewesen, wenn es dabei geblieben wäre - solche nachträglichen Tracklist-Änderungen finde ich unsäglich (hallo, Morrissey).
Felix H
2024-01-13 15:46:26
Was ist das denn bitte für ein Sequencing?
Track 11-14 auf CD1 und Track 13-18 auf CD2 sind wohl als "Bonustracks" gedacht, daher die Dopplungen.
Ich hatte es mal so gehört und fand den Flow aber auch wesentlich schlechter als auf dem Original.
The MACHINA of God
2024-01-13 15:38:58
Ich seh diese Deluxe-Tracklist jetzt erst. Was ist das denn bitte für ein Sequencing? Wow. Mal schauen ob ich mir das mal gebe.
The MACHINA of God
2024-01-13 15:29:42
Umgekehrt zum Vorgänger, der grandioses Songwriting hatte und mich sehr berührt, aber musikalisch und produktionstechnisch sehr unauffällig ist. "Lifeblood" geht auch eher in die Richtung Songwriting>Sound.
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