Lee Hazlewood - Cake or death

BPX 1992 / SonyBMG
VÖ: 08.12.2006
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Ol' blue lungs

Es gibt einen Moment auf der neuen Platte von Lee Hazlewood in dem plötzlich alles einen Sinn ergibt. Vorher waren merkwürdige Dinge passiert, auch nachher wird noch einiges schieflaufen mit diesem Album, von dem gemeinhin behauptet wird, es sei Hazlewoods letztes. Er ist jetzt 77, hat Nierenkrebs und raucht natürlich auf dem Cover von "Cake or death". Er raucht, bis zum Schluß. Aber dieser eine Moment in "Anthem", der Augenblick, in dem Hazlewood "I always did what my mother told me / But I never did vote Republican" singt, während hinter ihm die amerikanische Nationalhymne einstürzt, den braucht man trotzdem, um das alles zu realisieren. Es geht vorbei mit Lee Hazlewood. Klar deshalb: Jetzt ist ihm nichts mehr heilig, jetzt haut er nochmal richtig auf die Kacke.

Hazlewood hat natürlich immer Humor gehabt, oft auch mit Humor geschrieben. "Cake or death" aber - benannt in Anlehnung an einen Sketch des britischen Komikers Eddie Izzard - ist ein derart zügelloses Scheibenschießen der großen und kleinen, herzlichen und gemeinen, offensichtlichen und versteckten Späße geworden, daß man beinahe auf die Sitcomlacher vom Tonband warten möchte. Die kunstfertig gefriemelten Arrangements, die stilistische Reichweite, die vierspurig geteerten Stimmbänder - all das allein hätte freilich schon gereicht für ein würdevolles, den Umständen angepaßstes Farewell-Album. Hazlewood aber hatte keine Lust auf Kaffeefahrten-Pop, wie ihn Burt Bacharach etwa im letzten Jahr veranstaltet hat. Hazlewood kratzt sich einmal kurz am Schnauzer und bleibt die coolste Sau im ganzen Zirkus.

Also haut er im selbsttherapeutischen Walzer "Fred Freud" mindestens drei Klassikmotive mit den Köpfen gegeneinander, singt in "Please come to Boston" die dekorierte Jazzsängerin Ann Kristin Hedmark aus der Stadt und schlägt sich mit dem turbulent hochgejazzten "Baghdad knights" auf die richtige Seite des Irakkriegs. "These boots are made for walking" reanimiert Hazlewood mit benebelten Albträumen im Großhirn, "Some velvet morning" mit seiner Enkelin als zuckersüß quakender Reserve-Nancy-Sinatra. "White people thing" steckt als verkühlter Spoken-Word-Funk all die verklemmten Weißbrote da draußen in den nächsten Toaster. Und "T.O.M." schließlich frühstückt ab, was von dieser kuriosen Platte und der zugehörigen Karriere übrigbleibt. "Have you seen the sun / It still hangs in the sky / Have you seen the birds / They still know how to fly." Nur die Musik, die wird sich bald schon ganz schön umgucken müssen.

Leider kommen wir nicht raus aus der Nummer, ohne kurz über Bela B. zu reden, der mittlerweile zu Hazlewoods besseren Freunden zählt und so auch bei "Cake or death" seine Vampirfinger im Spiel hatte. Die Platte erscheint ausgerechnet beim Sony-Sublabel BPX 1992, das eigentlich erst für Belas diesjährige Solokarriere gestartet wurde. Schon im unlustig verstolperten Opener "Nothing" singt plötzlich eine Frau namens Lula mit, die der Assistenzarzt höchstselbst an Hazlewood vermittelte. Und "The first song of the day" schließlich, das man schon von Belas "Bingo" kennt, kam irgendwie auch auf "Cake or death" unter. Nichts natürlich gegen dieses atemlose Spaghetti-Western-Geschlinger. In der Umgebung eines Hazlewood-Albums aber wirkt Belas zahmes Croonen zwangsläufig erschüttend. Der große Alte wird also doch nochmal ranmüssen. So können wir ihn jedenfalls wirklich nicht gehen lassen.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Baghdad knights
  • It's nothing to me
  • Boots (Original melody)
  • T.O.M. (The old man)

Tracklist

  1. Nothing (with Lula)
  2. Baghdad knights
  3. Please come to Boston (with Ann Kristin Hedmark)
  4. She's gonna break some heart tonight (with Tommy Parsons)
  5. Sacrifice
  6. Fred Freud
  7. The first song of the day (with Bela B.)
  8. It's nothing to me
  9. Anthem
  10. White people thing
  11. Boots (Original melody)
  12. Some velvet morning (Phaedra & Grandpa)
  13. T.O.M. (The old man)
Gesamtspielzeit: 40:36 min

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