Mercury Rev - Hello blackbird - A soundtrack by Mercury Rev
V2 / Rough TradeVÖ: 29.09.2006
Cineastenakrobatik
Der ergreifende Film läuft voll emotionaler Spannung im dunklen Kinosaal. Gebannt halten sich die Augen ohne Wimpernschlag an der Leinwand fest. Popcorn und Cola stehen unangetastet unter dem Sitz und werden letztlich in ihrer Fülle nur den Reinigungskräften erhalten bleiben. Die Freundin rechts daneben bettelt seit zwanzig Minuten um Aufmerksamkeit, kann aber gegen die Hypnose der feingesponnenen Dramaturgie nicht wirklich etwas ausrichten. Eine träumerische Pianomelodie reißt den gebannten Zuschauer aus dem flauschigen Sitz. "Der Soundtrack ist mir schon mal sicher!", flüstert es da zwischen den Reihen. Ist es nicht ein Glück, daß es diesen gleich an der Kinotheke zwischen Nachos und Erdnüssen zu kaufen gibt? Zu Hause angekommen, läßt der junge Cineast seine Freundin in der Tür stehen, spurtet zur Anlage und sucht verzweifelt nach dieser bewegenden musikalischen Erfahrung im Soundtrack. Nichts. Absolut nichts! Nur schmalzige Popsongs in Plastik getaucht, von denen im ganzen Film nicht eine Sekunde ein Ton zu hören war. Hinzu kommt ein Haufen Remixe, die man nicht einmal im Original kennen mag.
So und nicht anders wird es einer Vielzahl von Menschen ergehen, die naiv glauben, auf einem filmischen Soundtrack der Gegenwart befänden sich auch tatsächlich Elemente des gutdurchdachten Drehbuchs. Enttäuschungen sind vorprogrammiert. Es sei denn, man hat gegen 08/15-Sampler mit willkürlichem Titel nichts Wirkliches einzuwenden. Anders dürfte es da den Zuschauern der großeuropäischen Produktion "Bye bye blackbird" ergehen. Für das surrealistische Melodram zwischen Traum, Wahn und Wahnsinn, das im Zirkusmilieu des frühen 20. Jahrhunderts spielt, hat man sich niemand anderes als Mercury Rev geangelt, um den realitätsfernen Bildern auch die entsprechende musikalische Untermalung zu bieten. Die New Yorker Band, die nicht erst seit ihrem Album "All is dream" für ihre klangliche Schlafwandlerei bekannt ist, vollzieht auf "Hello blackbird - A soundtrack by Mercury Rev" den absoluten und wirklichen Soundtrack. Wahre Songs nach dem Schema Strophe-Refrain-Strophe erhalten hier keine Chance. Auch stimmliche Trapezübungen von Leader Jonathan Donahue werden zu keinem Zeitpunkt zu hören sein.
Lieblich experimentelle Fragmente und melodische Fetzen, die aus einem matten Nebel gerissen werden, machen die Vertonung der Traumgebilde von "Hello blackbird" aus. Konsequent schwebt der Soundtrack dank ständigen Halls in weitschweifigen Höhen, wird still und langsam von einzelnen Rhythmen von märchenhaften Glockenspielen, dröhnender Klarinette, melancholischem Piano und allerlei Wunderlichem, wie einer singenden Säge auf und ab gerissen. Von Skizze zu Skizze. Zirkusmelodien aus vergangener Zeit schleichen sich unvermittelt ein und halten uns zum Narren. Sie verführen mit bekannten Klanglinien, die wir von irgendwo her zu kennen scheinen, aber bevor diese näher inspiziert sind, hat "Hello blackbird" längst wieder alle Bodenständigkeit hinter sich gelassen und schiebt seinen großen Geheimnissen einen Riegel vor. Mercury Rev verzichten mit "Hello blackbird" auf jegliche Referenzen zur popkulturellen Gegenwart und setzen Personenkult und ihren Bandnamen weit in den Hintergrund. Gedient wird einzig und allein der Dramaturgie des Films.
Highlights & Tracklist
Highlights
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Tracklist
- Blackbird's call
- Illumination by street lamp
- Waltz for Alice
- Trial by wire
- Daydream for Nina
- Audition scene sketch (Simply because)
- The white birds
- Josef's Vision
- Eye of the blackbird (Travelling music II)
- The Last of the white birds (March funebré)
- Cinema theme
- First flight of the white birds
- The chimpy waltz
- Dempsey's theme
- Fantasia No.1
- Robert y Roberto
- Travelling music
- Departed angels
- Simply because
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