The Walkmen - A hundred miles off

Record Collection / Talitres / Rough Trade
VÖ: 24.11.2006
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Damals vor der Sintflut

Es ist manchmal ein echtes Kreuz mit diesen Indierock-Platten. In Übersee (oder wenigstens jenseits des Ärmelkanals) feiert man sie wie die Erfindung des geschnittenen Brots. Hier jedoch bekommt man dank friedlich schlummernder Labels maximal ein paar MySpace-Schnipsel mit. Und ordert angemessen angefixt gleich mal den überteuerten Import. In seltenen Fällen fällt das dann sogar hiesigen Schlipsträgern auf, die mit gefühlten drei Jahrzehnten Verspätung den Release im alten Europa anzetteln. Das gigantische Geschepper der Walkmen steht also eigentlich nur in den informierteren Schränken. "Everyone who pretended to like me is gone" schaffte es wenigstens in ein paar Läden. Aber das verteufelt großartige "Bows and arrows" mit seinen Hits "Little house of savages" und "The rat" wird uns immer noch vorenthalten. Da ist es fast schon überraschend, daß der dritte Langspieler der New Yorker hierzulande mit gerade einmal einem halben Jahr Verzug kommt. "A hundred miles off" und doch beinahe pünktlich.

Da man ja davon ausgehen muß, daß kaum jemand etwas mit dem Fünfer um Schiefstimme Hamilton Leithauser anzufangen weiß, erstmal eine Zusammenfassung: Bei The Walkmen ging es bislang immer um entnervt am Punkt vorbei geschrammelte Zustände, die zwar das größtmögliche Drama wollten, aber mit dem geringstmöglichen Aufwand inszeniert wurden. Das Gegenteil von "Sam's town" also.

Wenn jetzt das schnoddrige "Louisiana" wie das Lagerfeuer in der Garage daherkommt, ist das jedoch beinahe noch sepiafarbener als zuvor. Verstimmte Gitarren, klappernde Rhythmen, und am Ende sogar eine Mariachi-Truppe. "Danny's at the wedding" und "Good for you's good for me" flüchten sich gleich in den so vertrauten Hall, der nicht mehr gestattet als ein mattes Glitzern. Schon bekommt Leithausers raspelnde Eindringlichkeit den angemessen räudigen Unterton. Doch erst im manischen Geklöppel von "Emma, get me a lemon" steckt all der Strom, auf den man doch eigentlich gewartet hat. Denn Matt Barricks Schlagwerkgalopp macht zwar ordentlich Radau, nimmt aber den Rest der Band nicht immer mit. Statt des gewohnt unbändigen Vorwärtsdrangs schaukelt "A hundred miles off" möglichst raumsparend auf der Stelle.

Das ist natürlich Absicht. Die beinahe nur aus Höhen bestehenden Gitarrensounds versumpfen mit dem Wummerbaß immer gerade so, daß man sich gerne auf die Suche nach den Fußnoten macht. Daher haben auch "Lost in Boston" und "Don't get me down (Come on over here)" dieses zwischen Faulheit und Nervosität zitternde Sixties-Jangle, das einen ganz wuselig im Kopf macht. Die Psychedelia-Orgel aus "All hands and the cook" holt sich derweil an der beschwördenden Melodie ein paar Schrammen. Und das euphorische Scheppern von "Tenleytown" gönnt sich zwischendurch sogar die große Geste. In diesem spukigen Mittelteil spürt man die ganze zermürbte Kraft, zu der diese Band eigentlich fähig ist.

Es ist beinahe schade, daß der angemessen aufgerührten Aufmerksamkeit ausgerechnet das erste auf halber Strecke stehenbleibende Album der New Yorker entgegengehalten wird. Aber mit etwas Glück steht demnächst "'Pussy cats' starring The Walkmen" ins Haus. Die Stück-für-Stück-Neueinspielung des Harry-Nilsson-Albums von 1974, welche The Walkmen kurz nach "A hundred miles off" spontan eingezimmert haben, um en passant auch Bill Haley, Jimmy Cliff, The Drifters und Bob Dylan mitzunehmen. Das dürfte wieder etwas mehr Spaß machen, als diese leider verschenkte Chance.

(Oliver Ding)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Emma, get me a lemon
  • All hands and the cook
  • Lost in Boston
  • Tenleytown

Tracklist

  1. Louisiana
  2. Danny's at the wedding
  3. Good for you's good for me
  4. Emma, get me a lemon
  5. All hands and the cook
  6. Lost in Boston
  7. Don't get me down (Come on over here)
  8. Tenleytown
  9. This job is killing me
  10. Brandy Alexander
  11. Always after you ('til you started after me)
  12. Another one goes by
Gesamtspielzeit: 41:54 min

Im Forum kommentieren

dominik

2006-11-30 17:17:03

ja, die Platte braucht ne gewisse anlaufzeit. aber wenn man sie erst ein paar mal gehört hat.

@bartender
"lost in boston" ist wirklich super. ist auch auf dem neuen spex sampler drauf.

OIiver Ding

2006-11-17 19:45:12

Nach dem großartigen "Bows and arrows" ist die neue leider, leider ein Einbruch. Das, was das nachlässige Gerumpel so intensiv und kraftvoll werden ließ, fehlt dieses Mal: eine knackige Produktion. Daher nur 6/10. Und ich hab wirklich versucht, mit die Platte doch noch schönzuhören.

dominik

2006-11-17 17:50:11

die platte ist bislang an mir vorbei gegangen. bin jetzt mal am hören...

fakeboy

2006-11-17 17:44:37

mit verlaub, eine 6 ist einfach viel zu wenig. viel zu wenig!

Harry Krishner

2006-10-24 15:26:29

Die beste Platte des Jahres! Unglaublich wie roh die reinkracht. "Lost in Boston" ist da mein persönlicher Favourite! Endlich wieder mal gute Rockmusik!

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