White Magic - Dat rosa mel apibus

Drag City / Rough Trade
VÖ: 10.11.2006
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Suppenkasper

Wirklich lieb scheint Mira Billotte ihr Klavier nicht zu haben. Jedenfalls tut sie nicht das, was man erwartet, wenn man vermutet, es gäbe da so etwas wie eine innige Beziehung. Dahingehauchte Melancholie etwa, verträumte Suseleien oder rhythmische Honkey Tonks, die eines auf keinen Fall wollen: stören oder sonstwie unangenehm auffallen. Nicht so Billotte. Die ehemalige Quix*O*Tic-Schlagzeugerin zeigt sich als Feldwebelin von White Magic und ist, obwohl durchaus an Melancholie und einer straffen Rhythmik interessiert, ihrem Instrument gegenüber eher unversöhnlich.

So wird jeder Akkord beinahe überhart angeschlagen. Ausklingen darf er nicht, vielmehr zieht er jegliche folkloristische Anleihe in seinen eigenen Stechschritt hinein. Drumherum schwirren Schlagzeugkränze, Winselgeigen und Wimmergitarren wie Schmeißfliegen, denen von ihren teils hyperaktiven Flugbahnen ganz kodderig wird. Billotte läßt sie genüßlich zum Appell antreten. Und pfeffert ihnen, den Kopf tief in den Nacken gelegt, Gesangslinien entgegen, die aufsteigen und wieder herabregnen, in Sekundenbruchteilen von vergrummeltem Moll zu Kinderschmollmund-Kieksern mutieren, sich stets angespannt und sprungbereit zeigen. Das provoziert mitunter ein leicht mißtrauisches Augen-durchs-Zimmer-Gerolle nach dem Motto: "Hier braut sich doch was zusammen. Hier geht doch irgend etwas vor sich!"

Zur Ruhe kommen lassen einen White Magic jedenfalls nicht, weben aber doch, in den besten Momenten, immer mal wieder eine unvermutete Lösung mit ein. So im "Sun song", in dem sich ein mehrfach wiederholter Steigerungsteil in eine immer klarere Version des tieftraurigen Anfangsriffs entlädt. Prima auch der "Childhood song" und "Hold your hand in the dark", die zunächst zwar noch die üblichen, eckigen Flickflacks schlagen, früher oder später aber doch noch ihre optimale Sprunglinie finden. Und zum Abschluß erfindet der "Song of Solomon" noch so was wie den Inquisitions-Surf-Psycho-Dub, in dessen Schlangengrube sich Nick Cave, vor lauter religiöser Verzückung in die Hände klatschend, seiner eigenen Steinigung entgegenrecken dürfte. Eine extraordinäre Coverversion darf in solcherlei Gefilden dann natürlich nicht fehlen, und sie kommt mit "Katie cruel", einem Traditional, das einst ja auch den ollen Nick aus seiner Höhle gelockt hatte. Gut machen White Magic auch das und zwar vor allem deshalb, weil sie sich hier in der Tat angenehm zurücknehmen und den Song atmen lassen. Keine Frage, die reine Attitüde ist nicht ihr Messingbecher Absinth.

Geschunkelt wird dennoch woanders. In Retrohausen vielleicht oder im Bierzelt, aber nicht in Hörweite von Miss Billotte. Zickig kann man das nennen. Aber auch durchdacht und konsequent. Und daß die musikalische Welt ohne Zicken vielleicht doch einfach wesentlich trister wäre, sollte ebenso wenig in Abrede gestellt werden. Zumal wenn sie, wie hier, vorwiegend in die eigene Suppe spucken. Auslöffeln können die dann zwar immer noch andere, aber hey: Stellt Euch bloß nicht so an! Schmeckt doch ganz interessant.

(Tobias Hinrichs)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Childhood song
  • Sun song
  • Hold your hand in the dark
  • Song of Solomon

Tracklist

  1. Light
  2. Hear my call
  3. Childhood song
  4. What I see
  5. All the world wept
  6. Dat rosa mel apibus
  7. Sun song
  8. Hold your hand in the dark
  9. Katie Cruel
  10. Sea chanty
  11. Palm and wine
  12. Song of Solomon
Gesamtspielzeit: 56:01 min

Spotify

Threads im Forum