Urlaub In Polen - Health and welfare

Rakete / Tomlab / Indigo
VÖ: 27.10.2006
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Noise of art

Man will es sich gerade gemütlich machen und sich ganz in das Rauschen und Blubbern versenken, das aus den Boxen klingt. Die Strukturen im Geräusch suchen, den verwobenen Melodien nachspüren und den Takt in den unzähligen Aufnahmespuren suchen, und schon ist der ersten Track nach einer Minute schon zu Ende. Nahtlos nach diesem "Zwo" ertönt "Wanderlust" und haut einem das Gesuchte brutal um die Ohren. Hölle, was ist das? Ein Groovemonster von einer Baßlinie, rumpelnde Beats, die Gitarre spielt ein Discoriff zwischen Chic und den Bee Gees. Und Georg Brenner singt. Richtig. Unverfremdet. Eine Melodie im klassischen Sinne. Bis er von einem gospelinfiziertem Soulchor abgelöst wird. Eigentlich hatte man mit allem gerechnet. Aber damit nicht.

"Health and welfare" ist keine Discoplatte. Jedenfalls nicht so, wie man sich eine Discoplatte eben vorstellt. Aber das neue Album ist durchgehend tanzbar. Mit Bedacht und an der richtigen Stelle eingesetzt, können etliche der Songs (ja, es sind tatsächlich Songs im engeren Wortsinn) auch Tanzpaläste beschallen, die nicht ausschließlich von nerdigem Indie-Volk besucht werden. Es muß ja nicht unbedingt die irritierend dekonstruierte Version des Rockdiscoklassikers "Like the way I do" von Melissa Etheridge sein. Wieviel das Kölner Duo übrig gelassen hat, deutet schon der Titel "D.T.W.I.L." an. Nachdem der Song ordentlich entkernt und auf den Kopf gestellt wurde, bleibt ein Gebilde übrig, das wie die Synthese aus Anne Clark und Kraftwerk klingt. Wurde eigentlich schon erwähnt, daß man mit allem gerechnet hatte? Nun, damit wohl nicht.

All das, womit man bei Urlaub In Polen ganz fest rechnet, bleibt erstmal aus. Soundwände, die den Blick in eine Richtung zwingen. Die Anstrengung beim Hören. Die schmerzhaften Wendungen, bei denen Dich zwei Leute gerade in dem Moment, in dem Du nicht mehr taumelst, in eine andere Richtung reißen, so daß Du wieder ins Straucheln gerätst. Urlaub In Polen sind für den Hörer komfortabler geworden, eingängiger und im besten Sinne genießbarer. Denn der Trip, auf den uns "Health and welfare" mitnimmt, ist der beste, den die zwei Kölner je angeboten haben. Die Entdeckung auf dieser Reise ist nicht unbeackertes Krachland, in dem absurde Geräusche aus dem Nichts wachsen, sondern die Erfahrung, wie schnell man zwischen zwei musikalischen Welten wechseln kann. Nun ja, mit solchen Erkenntnissen haben wir gerechnet.

Die "A case of getting from ... to ..."-Trilogie auf diesem Album ist ein Paradebeispiel für einen solchen Trip der besonderen Art. Eingemummelt in weiche und warme Grooves ziehen das Phantom der Oper, James-Bond-Themen und Elvis Costello vorbei, während im Untergrund absurde Geräusche aus dem Nichts wachsen. Aha, also doch. Alles da. Nur anders verpackt. Auch die dringend erwartete Irritation wird bei näherem Hinhören eher größer als kleiner. Ist das ein Zufall, oder wird da im Titeltrack "Hotel California" zitiert? Während die ersten Durchläufe des neuen Albums eindeutig auf die Füße gezielt haben, kommt bei jeder weiteren Wiederholung immer mehr Kopf ins Spiel. Na klar, wir haben ja mit allem gerechnet. Vor allem damit.

(Rüdiger Hofmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Wanderlust
  • D.T.W.I.L.
  • A case of getting from C to D
  • Health and welfare

Tracklist

  1. Zwo
  2. Wanderlust
  3. Beatrice
  4. Inkin Ark
  5. D.T.W.I.L.
  6. A case of getting from A to B
  7. A case of getting from B to C
  8. A case of getting from C to D
  9. Crash
  10. La gallina
  11. Health and welfare
Gesamtspielzeit: min

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