Robbie Williams - Rudebox

Chrysalis / EMI
VÖ: 20.10.2006
Unsere Bewertung: 3/10
3/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Alle Stricke reißen

Zugegeben: Die Zeiten haben sich gewaltig geändert. Zum zehnten Jahrestag seines Ausstiegs bei Take That wurde Robbie Williams mit schlecht sitzenden Launen und tiefschürfenden Depressionen vor die Mikrophone der lechzenden Weltöffentlichkeit gezerrt. Wer ihn immernoch nicht kennt, ist entweder Tuareg, Amerikaner oder in komatösen Zuständen gefangen. Der Motor der musikalischen Konsensbühne lief rund wie ein Derwisch. Zehn lange Jahre. Und kaum gerät der Initiator dieser künstlichen Welt in den unaufhaltsamen Sog der biographischen Selbsterklärung, folgt das grandiose Scheitern auf dem Fuße. Robbie Williams, ein scheinbar endliches Märchen.

So muß es sich anfühlen, wenn alle Stricke reißen. Wenn Ryan Adams ein Album namens "Rock n roll" schreiben muß. Wenn die Sonne den Himmel eingenommen hat. Williams geht den Weg eines geläuterten Woyzeck mit den Ansichten eines Blechtrommlers. "Rudebox", kurz nach dem Selbstläufer "Intensive care" und während der letzten Welttournee produziert, verweigert sich dem Weg der künstlerischen Weiterentwicklung und suhlt sich im Morast flacher 80s-Elektronik, fieser Diskoballaden und verquerer Melancholie, die zwischen ungeheuerlichen Rap-Einlagen hervorlugt. Williams fühlt sich vergewaltigt, vom Business verarscht und sowieso unterschreibt er keinen weiteren Vertrag. Die Zeit des Robert Peter Maximilian Williams als großer Entertainer läuft ab. Und mit Sicherheit zwinkert er bei diesem Gedanken seiner Seele zu.

Die Nominierung zur "Schlechtesten Single aller Zeiten" mutete als logische Konsequenz der implodierenden Robbie-Mania an, bis die Single "Rudebox" das erste Mal im Radio lief. Dieser mit Sly & Robbie eingespielte Klickergroove war mindestens seltsam. Das soulige "Lovelight" mag da eher gefallen, die eingespannte Background-Sängerin Lily Allen irritieren. Nimmt man die verirrte Coverversion von Manu Chaos großem Hit "Bongo bong" ins Kreuzverhör, klagt die unsinnige Hommage an Madonna in "She's Madonna" an oder schüttelt den Kopf zum trunkenen "Good doctor": Ratlosigkeit, Resignation, Ressentiment. Hier zischt etwas in hohem Bogen am Ziel vorbei und verfolgt dennoch einen großen Plan.

Das ziemlich originalgetreu kopierte "Louise" der britischen New-Wave-Legende The Human League, welches mitunter an die Atmosphäre von "No regrets" erinnert, wird zum großen Highlight einer grauen Platte, die im Synthesizersaft baden gehen muß. Gemeinsam mit den Pet Shop Boys intoniert Williams den My-Robot-Friend-Klassiker "We're the Pet Shop Boys", welchen diese auch schon gecovert haben, und rappt im autobiographischen "The 80's" wie ein talentfreier Mike Skinner: "Things look better / When they start / That's how the 80's / Broke my heart." Das anschließende "The 90's", auf der Suche nach einem Abschluß seiner Take-That-Geschichte, gesteht: "I only wanted to get down / I'm making trouble in this town / For the five of us." Williams, getrieben im Sog der Gezeiten, wird eingeholt. Von den Irrungen und Wirrungen seiner bekannten Lebensstationen.

Nicht von ungefähr muß "Rudebox" ohne fest installierten Songwriter auskommen. Mit enormer Wucht krachen die Songs, die unter anderem von den Pet Shop Boys, der Ambiente-Ikone William Orbit und dem altbekannten und letztlich glücklosen Stephen Duffy geschrieben wurden, gegen die Wand des aufgetakelten Pathos der wirren Achtziger, welche die musikalische Sozialisierung des Briten bedeuteten. Das persönlichste Album des Superstars sollte "Rudebox" werden. Ursprünglich nach seinem Geburtsjahr benannt, biographische Bekenntnisse auf ganzer Strecke, reiner Tisch mit Vergangenheit und Weggefährten: das erste ehrliche, künstlerische Statement. Robbie Williams steht zu seinem Leben und geht den musikalischen Kreuzgang. Self-esteem killed the radio star.

(Christian Preußer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Lovelight
  • Louise

Tracklist

  1. Rudebox
  2. Viva life on Mars
  3. Lovelight
  4. Bongo bong / Je ne t'aime plus
  5. She's Madonna
  6. Keep on
  7. Good doctor
  8. The actor
  9. Never touch that switch
  10. Louise
  11. We're the Pet Shop Boys
  12. Burslem normals
  13. Kiss me
  14. The 80's
  15. The 90's
  16. Summertime
  17. Dickhead
Gesamtspielzeit: 74:45 min

Im Forum kommentieren

fuzzmyass

2023-11-10 12:56:40

Die Netflix Doku ist btw super und sehr intim... habe nur die ersten 2 Folgen gesehen, aber wirklich fantastisch... wäre für viele Plattentests User interessant, denke ich - selbst für Nicht-Fans

The MACHINA of God

2023-11-10 01:46:23

https://www.nme.com/news/music/robbie-williams-says-releasing-single-rudebox-is-biggest-regret-of-his-career-3532227

Felix H

2019-11-27 00:37:56

Aber bei einer solches Popularität so ein verqueres Ding rauszubringen... ich mag solche
Moves. :-) Wenn auch nicht die Musik.
Die ersten drei Songs gehen aber immer noch schwer in Ordnung.

The MACHINA of God

2019-11-26 23:21:40

Wow, das Ding geht ja echt mehr als 70 Minuten. :D

Patte

2007-04-06 13:22:30

Sage ich doch schon laaange, Onkel Demon. ;)

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