The Early Years - The Early Years

Beggars Banquet / Indigo
VÖ: 20.10.2006
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Blick nach unten

Wenn Irrtümer zu sagenumwobenen und einschneidenden Wahrheiten werden, wer mag dann noch dazwischen schreiten und den ursprünglichen Kern des Ganzen aufdecken? Je bedeutender, desto besser. Nehmen wir den Begriff des Shoegazing. Weltweit wird diese Vokabel in musikalischen Diskussionen und Erläuterungen in vollem Maximum ausgereizt. Jeder, der nur ansatzweise Ahnung vortäuschen möchte, weiß sofort, was sich dahinter versteckt und schenkt weiteren Nachfragen Flügel. "Ja, so Gitarrenwände ... ähm, Melancholie ... ja, ähm, Hall, viel Hall". Plattentests.de eilt zur Hilfe: Shoegazing bedeutet heimatsprachlich nichts anderes, als das eigene Schuhe-Anstarren. Entstanden ist diese Wortkombination aus dem Eindruck, daß sich Künstler dieses Genres bei Liveauftritten so schüchtern und scheu anstellen, daß ihnen letztlich nur der Blick auf die eigenen Galoschen übrig bleibt. Pssst, für ein paar Freunde der Wahrheit machen wir jetzt mal den Spielverderber: Eine blinde Bedienung der auf dem Boden liegenden Effektgeräte beherrschen die Wenigsten. Kombiniere, kombiniere.

Trotz dieser nun aufgedeckten Überzeichnung wollen wir keine Sekunde die Besonderheiten dieses Genres untergraben. Mit den Londoner Jungspunden The Early Years steht eine Band in den Startlöchern, die diese üble Nachrede in keinem Falle dulden würde. Deren Debüt badet und suhlt sich in aller Deutlichkeit in angesprochener Richtung. Mit dem verdienten Single-Erfolg "All ones & zeros" startet das erste Album in allen Elementen, die diese Sparte am Leben erhält. Dort wären: Mäandernde Gitarrenströme, die sich weitläufig und effektreich im Weltall verlieren. Baßlinien, die nicht mehr als einzelner Ton ausmacht und nur noch als großes Ganzes die sphärische Szenerie bestimmen. Vocals, die undeutlich und vergeblich an den endlosen Gitarrenwänden kratzen und allein für die psychedelische Ballade aus ihrem Status der netten Hintergrunduntermalung ausbrechen. Diese folgt mit "Things" auch gleich auf dem Fuße. Behutsam und träge schleicht der Song voran. Epische Dramen wie "Brown hearts" und "High times" stehen als weitere Paradebeispiele für diese Machart.

Und so folgt "The Early Years" ohne wirkliche Überraschungen den eisernen Gesetzen einer liebgewonnen Schlafwandlerei mit kurzen Krampfattacken. Keinesfalls ist das kritisch zu betrachten, denn die frischen Engländer erledigen diese Arbeitsweise mit Bravour und sind letztlich doch noch in der Lage, ihre ganz eigenen Melodien und Schwermütigkeiten mit dem Hörer zu teilen. Nicht zu vergessen: der hoch anzurechnende Mut zum strukturlosen Ambiente, der hier in vielerlei Varianten zelebriert wird ("Musik der fruhen Jahre", "Song for Elizabeth"). In einem Falle wie "The Early Years" verzichten wir auf die Entdeckung weitreichender Neuschaffungen und erleben ein großartiges Debüt. Schließen möchten wir mit einer dringenden Empfehlung an die Menschen, die fest angekettet in geregelten Bahnen diesem Erdenreich angehören und sich vielleicht selbst einmal von den ach so schüchternen Schuh-Starrern ins All schießen lassen möchten: Bedienen Sie sich ruhig an "The Early Years". Ladies and gentleman we are floating in space.

(Markus Wollmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Things
  • High times
  • This ain't happiness

Tracklist

  1. All ones & zeros
  2. Things
  3. Simple solution
  4. Brown hearts
  5. Song for Elizabeth
  6. Musik der fruhen Jahre
  7. So far gone
  8. High times
  9. Harmonic interlude
  10. This ain't happiness
Gesamtspielzeit: 50:38 min

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