Sean Lennon - Friendly fire
Capitol / Virgin / EMIVÖ: 29.09.2006
Schon wieder
Gemessen daran, wie oft solche Zwischenfälle in Filmen mit Ben Stiller passieren, müßte jeder von uns allein letzte Woche zwei- bis dreimal in folgender Situation gewesen sein: Langer Arbeitstag, Ärger mit dem Yuppie-Chef, Streß mit den Mobbing-Kollegen, beschwerlicher U-Bahn-Heimweg, komische Geräusche aus dem Schlafzimmer, komische, nie zuvor gesehene Akrobaten-Sexstellung, in der der beste Freund die eigene Freundin nagelt. Ein ganz normaler Dienstag eben. Was in Hollywood dann aber nicht mehr erwähnt wird: Der beste Freund stirbt bei einem Motorradunfall, kurz darauf, ohne daß die Sache geklärt werden konnte. Da muß man schon Sean Lennon sein, damit einem so was passiert. Und in der Verfilmung spielt besser mal irgendein Franzose die Hauptrolle.
Lennon selbst nahm der Tod seines besten Freundes übrigens insofern mit, daß er ihn anstachelte zu seiner ersten Platte seit knackigen acht Jahren. "Into the sun" hatten die Leute damals ja nicht so geil gefunden, obwohl das eigentlich schon eine gesunde Eklektiker-Gala gewesen war, die sich gut gemacht hätte an manchem Werkzeuggürtel. Aber "Friendly fire" nun hat ohnehin ganz andere Sachen vor. "Don't you know you're dead meat?", so geht dieses Album los, ein Klavier walzert ihm über die Füße, die Streicher sind schon da, bevor der erste Refrain auch nur angedacht wird, die Flöten kommen etwas zu spät. Klingt fast wie gekonnt, möchte man beinahe sagen.
"Wait for me" covert hintendran das Beatles-Lied "I'm only sleeping", ohne es zuzugeben, aber man tut Lennon ja doch unrecht, wenn man solche Sachen über ihn erzählt. Der Grundtenor von "Friendly fire" scheint ernsthaft melancholisch zu sein, das Herz der Platte zu schwer beschädigt für schnelle Nadel-und-Faden-Aktionen. Die Songs allerdings, die sind ein paar Mal zu oft ein bißchen zu langweilig, um einen auf längere Sicht zu beschäftigen. Schlaflieder für Erwachsene, Beruhigungsmusik für Menschen, die gerade ein ganzes Monatsgehalt in irgendwelche Großkonzern-Aktien gesteckt haben. Selbst wenn Lennon der letzte sein mag, der solche Typen erreichen will - zum Titelsong von "Friendly fire" trinkt sich das Designer-Espressotässchen ganz von selbst aus.
Verzweifeln wir also zusammen mit ihrem Schöpfer an dieser Platte, verfluchen wir das Leben und all die Menschen, die es umbringt. Und ärgern wir uns dann gemeinsam schwarz, wenn "Tomorrow" zwei Minuten und zwei Sekunden lang die Schwerkraft aufhebt, das Musikmachen leicht aussehen läßt und die Welt gleich noch dazu. Der Applaus im Kaminfeuerfolksong "Headlights" sollte zwei Stücke später noch immer dieser spontanen Bemerkung gelten und das unentschiedene "Would I be the one" zurück in die Refrainwerkstatt gebracht werden, obwohl sich Mellotron, Violinen und die unternehmungslustige Gitarre am Ende soviel Mühe geben. Es gibt eben auch Dinge hier, die schief gehen, obwohl sie das nicht sollen. Vielleicht die ärgste Schwierigkeit für alle Zuhörer: Man muß schon akzeptieren, daß Sean Lennon ist, wer er ist.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Dead meat
- Tomorrow
Tracklist
- Dead meat
- Wait for me
- Parachute
- Friendly fire
- Spectacle
- Tomorrow
- On again off again
- Headlights
- Would I be the one
- Falling out of love
Im Forum kommentieren
2012-11-24 14:58:37
julian lennon ist besser!
753
2012-11-24 14:35:34
Hab das Album vor kurzem durch Zufall entdeckt und bin total begeistert (teilweise bin ich von den Gesangsharmonien noch immer wie hin und weg). Es ist hier seinerzeit (2006) mit einer 6/10 abgestraft worden und hat vielleicht auch deswegen keine Sau interessiert. Reinhören lohnt sich auf jeden Fall. Gelegentlich fühle ich mich von der melancholischen Grundstimmung ein bisschen an Elliott Smith erinnert. Klar kommen einem hier und da mal die Beatles in den Sinn aber das ist deswegen noch lange kein müder oder gar langweiliger Abklatsch.
Holt es euch!
(Highlights: Wait for me, Friendly fire)
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- Sean Lennon - Friendly fire (2 Beiträge / Letzter am 24.11.2012 - 14:58 Uhr)