Sparklehorse - Dreamt for light years in the belly of a mountain

Astralwerks / Capitol / EMI
VÖ: 29.09.2006
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Sesam, öffne Dich

"Dreamt for light years in the belly of a mountain". Huh? Sollen diese Wortfetzen etwa alles sein? Ein kostengünstiger Versuch, uns nach fünf Jahren unentschuldigten Fehlens poetisch einzulullen, ohne auch nur ein Wort über die Abstinenz von jeglicher Bildfläche zu verlieren? So einfach geht das aber nicht. Lange mußte man annehmen, daß Mark Linkous seinen selbsterreichten Eremitenstatus in die Tat umgesetzt und in den Wäldern oder Gebirgszügen dieser Erde ein neues Lebenslager aufgeschlagen hat. In manchen Internetdiskussionszentren wurde er gar bereits für tot erklärt, in anderen vergessen und auf diverse Abschußlisten gestellt. Mehrere Generationen und Moden sind inzwischen an uns vorbei gezogen. Und wir hatten nichts als die drei verstaubenden Vorgänger.

Zugebeben, die Überschrift zur Rückkehr hat uns dann doch angelächelt und verzaubert. Wie könnte man so einem liebenswürdigen Sonderling wie Linkous auch den Einlaß verwehren? Still und heimlich ist er aus dem Bauch des Berges geklettert. Er lächelt wieder, der Clown mit dem dreckigen Grinsen. Und so fordert er gleich anfangs: "Don't take my sunshine away." Ein Knacken, ein Knarren, und Linkous Stimme erhebt sich verzerrt wie immer aus dem Meer der Vergessenheit. "Your face is like the sun sinking into the ocean / Your face is like watching flowers growing in fast motion." Gitarren reißen den Song nach wenigen Minuten aus den Angeln, Geigen kleistern die Wunden des Schmerzes und halten ihn am Boden. Ein Aufruf an die Depression, sich nicht noch einmal über das innere Seelenleben zu legen. Noch einmal: "So please, please don't take my sunshine away." Nach diesem famosen Einstieg schenkt man dem Album alle Herzenswärme, die aufzubringen ist.

Nach einem Durchgang ist klar, daß der Hörer mit "Dreamt for light years in the belly of a mountain" ein Novum in der Sparklehorse-Geschichte erlebt. Dieses Mal ist, auch mit mehreren Jahren Vorbereitungszeit im Gepäck, keine wesentliche Neuentwicklung oder ein bewußter Rückschritt ins Abschüssige zu verzeichnen, wie es bisher immer der Fall war. Man könnte glatt behaupten, dies hier sei ein standardtypischer Karriereüberblick, nur geradliniger in der Machart. "Getting it wrong" präsentiert zu einer sterilen Orgel mal wieder einmal das kleine Männchen, das seine Klagen mit Fabelwesenstimme erhebt, ohne sich nur eine Sekunden zu öffnen. "Ghost in the sky" läßt nach Minuten der Melancholie den lärmenden Fuzz aus dem Sack, um mit eingängigen Hooklines den Fluß des Albums auf den Kopf zu stellen. Dem Erfahrenen wird das Beschriebene bekannt sein.

Dennoch ist "Dreamt for light years in the belly of the mountain" kein über die Jahre recycelter Brei. Linkous' Symbolismen von Pferden, Steinen, Geistern oder Ozeanen brauchen ihre Zeit der Entfaltung. Auch wenn gutgemachte Lautstärke auf diesem Album seinen Platz hat, setzen Sparklehorse einmal mehr auch auf eine spärlich akzentuierte Eintönigkeit, die erst nach mehren Runden in das Ästhetikzentrum des menschlichen Körpers vordringt. Und dort einschlägt wie eine Bombe. Das wunderschöne "Morning hollow" und das hoffende "Return to me", mit immer gleichen Rhythmuslinien und Melodien aus einer kaputten Klapperkiste, dokumentieren das in Perfektion. Linkous wird wohl immer der zurückgezogene Säulenheilige bleiben. Aber in diesem Fall scheint er seinen Frieden gefunden zu haben. Er schreibt so selig und friedfertig wie nie zuvor. Auf daß die Depression das Weite sucht und der Sonnenschein erhalten bleibt.

(Markus Wollmann)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Don't take my sunshine away
  • See the light
  • Return to me
  • Morning hollow

Tracklist

  1. Don't take my sunshine away
  2. Getting it wrong
  3. Shade and honey
  4. See the light
  5. Re
  6. turn to me
  7. Some sweet day
  8. Ghost in the sky
  9. Mountains
  10. Morning hollow
  11. It's so hard
  12. Knives of summertime
  13. Dreamt for light years in the belly of the mountain
Gesamtspielzeit: 53:16 min

Im Forum kommentieren

Greylight

2010-04-04 13:46:21

Alter dieses "please don't take my sunshine away" bricht mir immer wieder das Herz... wie kann etwas nur so zerbrechlich und fragil sein... :-(

Tilsiter

2007-05-14 22:33:20

Auf DLF läuft gerade die Radiosendung Rock and Cetera mit dem Thema: Sparklehorse.
Klingt interessant.

The MACHINA of God

2006-11-05 17:54:54

Vor einer Woche in Hamburg live gesehen.
Schöne Sache war das.

modestmarc

2006-11-05 14:20:45

Mir gefaellt das neue Album sehr gut. Schoene Musik.

Obrac

2006-11-04 23:41:25

Ich bin letztlich schon recht enttäuscht. "Getting it wrong" und der Titeltrack überzeugen, aber sonst? Da regt sich nicht viel. Schade.

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum