Nerina Pallot - Fires

14th Floor / Chrysalis / Warner
VÖ: 25.08.2006
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Flammkuchen

Man sollte sich vor der Namensgebung des ersten Kindes schon ein wenig schlau machen, sonst steht im Paß des niedlichen kleinen Töchterchens plötzlich ein deftiges chinesisches Schimpfwort. Oder auf dem Debütalbum ein Titel, mit dem das Ganze einfach nicht gut gehen kann. Nerina Pallots 2001 veröffentlichter Erstling hieß "Dear frustrated superstar". Und was wurde sie? Natürlich: vom Zynismusgericht gnadenlos verurteilt. Kein Superstar, dafür aber ordentlich frustriert. Und ihren Vertrag beim Major-Label, den war sie auch los. Ausgerechnet kurz vor der gemeinsamen Tour mit Bryan Adams.

Einer hatte das ja alles so kommen sehen: "Mr. King". Nicht nur, weil sein Nachname schon eine gewisse Überlegenheit signalisiert, sondern auch, weil er all die Erfahrungen schon gemacht hatte, die Nerina Pallot noch bevorstanden. Zum Dank für die zwar unerhört gebliebene, aber doch ungeheuer weise Warnung vor dem bösen Musikbusiness, widmete sie Andrew King, einst Manager von The Clash und Labelboß von Mute, eine wunderbar grazile Akustikgitarrenkomposition, die der Bitterkeit in den richtigen Momenten den Zuckerstreuer reicht.

"Blunt" heißt übrigens nicht nur "unverblümt" und "geradeheraus", sondern auch: "stumpf". Nun hatte Nerina Pallot, nachdem das damals mit Bryan Adams ja schon leider nicht mehr klappte, das zweifelhafte Vergnügen, bei James Stumpf das Vorprogramm zu bestreiten. Ganz alleine, abwechselnd am Klavier oder mit der Gitarre. Zeugen sprachen von Wahnsinn im positivsten Sinne. Auf dem nicht unbedingt unterproduzierten Album ist von dieser umwerfenden Einzelleistung allerdings nur noch begrenzt etwas zu hören - die Gästeliste möchte ja schließlich auch nicht unleserlich sein. Darauf stehen zum Beispiel die Produzenten Howard Willing (Smashing Pumpkins) und Eric Rosse (Tori Amos), sowie an den Instrumenten Jon Brion (Fiona Apple), Doyle Bramhall II (Eric Clapton), Lyle Workman (Beck), Roger Manning Jr. (Jellyfish) und Sebastian Steinberg (Soul Coughing).

Keine Gastarbeiter braucht Nerina Pallot, wenn es darum geht, memorierungswürdige Melodien zu finden. Die elf Stücke haben allesamt einen so makellosen Körperbau wie ihre Schöpferin - sogar die obligatorischen Female-Rock-Nummern - wie "Everybody's gone to war" oder "Learning to breathe" - machen eine erstaunlich gute Figur. Richtig hübsch wird's aber erst, wenn Madame in "Idaho" bei gedämpftem Licht in die Tasten greift und den nachtblauen Streicherteppich ausrollt. Daß das Schlußtrio dann eher in Richtung Dudelfunk rudert, ist zwar schade, aber angesichts der im Song zuvor erscheinenden Ausnahmeschönheit keine wirkliche Katastrophe. Jetzt versteht man nämlich endlich auch die Wahnsinns-Empfinder vom James-Stumpf-Konzert. Denn "Sophia" ist eine eindrucksvolle One-Woman-Show - nur Nerina Pallots liebliche Stimme und das Piano. Der Name "Sophia" kommt übrigens aus dem Griechischen und heißt "Weisheit". Und das paßt in diesem Fall tatsächlich ganz hervorragend.

(Ina Simone Mautz)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Idaho
  • Mr. King
  • Sophia

Tracklist

  1. Everybody's gone to war
  2. Halfway home
  3. Damascus
  4. Idaho
  5. Learning to breathe
  6. Mr. King
  7. Geek love
  8. Sophia
  9. All good people
  10. Heart attack
  11. Nickindia
Gesamtspielzeit: 46:55 min

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  • Nerina Pallot (18 Beiträge / Letzter am 10.05.2012 - 21:15 Uhr)