Nicky Wire - I killed the zeitgeist

Red Ink / Rough Trade
VÖ: 22.09.2006
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Solomanie

Man kennt das ja: Da gibt es eine Band, der nach vielen Jahren und erfolgreichen Tonträgern im Musikbusiness Ermüdungserscheinungen anzusehen sind. Die zwei gleichberechtigten Speerspitzen wissen auch nicht mehr wirklich weiter und beschließen, fürs Erste die Welt auf eigene Faust unsicher zu machen. Irgendwann will schließlich jeder mal sein eigenes Ding drehen. Mal schauen, wie das so ohne den anderen funktioniert. Besonders, wenn die andere Großmacht der Band doch so ganz anders drauf ist. Geht ja auch mal auf den Zeiger, dieser Kontrast. Nach den letzten drei Alben mit seinem Hauptprojekt, die die Begriffe "hymnischer Himmel" und "polemische Hölle" nur allzu sehr ausreizten und nicht überall Jubelstürme auslösten, hat Nicky Wire, textsicherer Schreiberling der Manic Street Preachers und die etwas buntere und lebendigere Haut der gesellschaftskritischen Institution, erst einmal die gemeinsamen Kreativschübe unterbrochen. Hauptsänger James Dean Bradfield hat mit "The Great Western" vor zwei Monaten den ersten Pausenzeitvertreib vorgelegt. Nicky Wire rückt nun mit "I killed the zeitgeist" nach.

Um eines vorwegzugreifen: Eine längere Pause in der Beschaulichkeit und Ruhe der britischen Ländlichkeit wäre eine bessere Idee gewesen, als "I killed the zeitgeist" aufzunehmen. Nun müssen wir uns damit rumplagen. Aber als Organisation der Kulturkritik sind wir nun einmal dazu da, jedem miefenden Stück Musik hinterrücks auf die Schliche zu kommen. Wir halten zunächst einmal fest, daß es keine Schande ist, nicht singen zu können. Großlyriker wie Bob Dylan und dem etwas näherliegenden früheren Blur-Mitstreiter und jetzt Lonesome Cowboy Graham Coxon wird das schließlich auch alle Nase lang vorgehalten. Aber in diesem Fall muß man einen besonders schwerwiegenden Fall attestieren. Wire hält keine Note, keinen Ton, weiß wahrscheinlich auch gar nicht, wie so etwas funktioniert. Mit etlichen "Fucks", "fuckin’" oder ärmlichen Gitarrenentladungen versucht er, das Ganze zumindest wild, jugendlich und ungestüm erscheinen zu lassen, aber die mangelnde Inspiration im vibrierenden Organ verlangt eher nach einer Spitzfindigkeit statt nach berufsjugendlichen Dauerrockern.

Nach Jahren der einengenden Gemeinschaft mit funktionierendem Gleichton ist es auch völlig verständlich, daß Wire die alten Strukturen so richtig durchschüttelt, um all das zu spielen, was in den Jahren des Miteinanders nicht auf der Tagesordnung stand. Für "I killed the zeitgeist" plündert er die Schubladen der Musikgeschichte. Leider unterläuft ihm dabei der große Fehler, nur schnell und ohne das passende Geschick an der Oberfläche zu kratzen. Wire versteht zwar sein Handwerk und bleibt ein verläßlicher Texter, doch ein von Stück zu Stück getragenes Soloalbum zu kreieren, schafft er in diesem Falle nicht. Es ist eher ein Versuch, doch noch etwas anderes als das gewohnte Nonplusultra anzufertigen - und das im Schnellschußverfahren. Es zeigen sich herbstliche Balladen ohne Konsequenz, die dann doch wieder als Uptempo-Rocksau enden. Noiseflächen, die an kein festes Band anknüpfen können. Alte Menschen werden aus dem Sack geholt, die mit einleitenden altklugen Sätzen den Songs das mystifizierende Etwas verleihen. Abgeschottet davon finden sich feine Momente von australisch-neuseeländischen Jangle-Pop-Huldigungen ("Nicky Wire’s Last"), die in ihrer Selbstironie doch noch ein Lächeln erzeugen können. Insgesamt aber zu wenig, zu sprunghaft, zu vorhersehbar. Ob die Manic Street Preachers noch mal einen großen Wurf landen können, bleibt den Union-Jack-Enthusiasten überlassen. Die dringende Empfehlung an Nicky Wire lautet: Schuster, bleib bei Deinen Leisten.

(Markus Wollmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Goodbye suicide
  • Nicky Wire's last

Tracklist

  1. I killed the zeitgeist
  2. Break my heart slowly
  3. Whitdraw/Retreat
  4. Goodbye suicide
  5. The shining path
  6. Bobby untitled
  7. You will always be my home
  8. So much for the future
  9. Stab yr heart
  10. Kimino rock
  11. Sehnsucht
  12. Nicky Wire's last
  13. Everything fades
Gesamtspielzeit: 41:55 min

Im Forum kommentieren

The MACHINA of God

2024-03-14 11:43:26

Bin überrascht, wie hörbar "INTIMISM" ist. Richtig gut. "Zeitgeist" war für mcih kaum durchstehbar.

n00k

2023-07-03 09:59:37

Auf Bandcamp ist soeben sein zweites Solo-Album "Intimism" erschienen: https://nickywire.bandcamp.com/album/nicky-wire

The MACHINA of God

2008-03-09 15:43:56

Haha... wunderbar untergegangen. Zurecht!

Loam Galligulla

2006-10-10 22:45:56

Soso.

Armin

2006-10-10 19:00:07

Manic Street Preacher No 2. Mit Nicky Wire's „I Killed The Zeitgeist“ (Red Ink / Rough Trade / 22.09.2006) steht nun auch das erste Soloalbum des zweiten Mitglieds der Manic Street Preachers in den Startlöchern. Aus der angekündigten Schaffenspause zwischen zwei Manic Street Preachers Alben ist also offensichtlich nichts geworden. Die 13 Tracks auf „I Killed The Zeitgeist“ reichen von Galle-spuckenden Punkrock bis hin zu reflektierender, kristalliner Herbst-Pop-Musik
„Eine Punk-Pop-Verlautbarung mit mehr Ideen als die meisten in einem ganzen Leben haben“ Paul Moody, NME
„Überraschend melodisch... springt im Bruchteil einer Sekunde von Komik zu Ernsthaftigkeit“ Simon Price, Independent On Sunday

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