Envy - Insomniac doze
Rock Action / PIAS / Rough TradeVÖ: 08.09.2006
Die neue Welt
Was sind die Werte einer heutigen Profilierungsgesellschaft? Alles muß besser gemacht, alles getoppt werden, alles muß schneller gehen. Keine Zeit, sondern Streß, Hektik, Erfolgsdenken. Nein, Erfolgswahn ist das sogar. Verloren gegangen der Blick für das Schöne. Es dominiert die Oberflächlichkeit, weil kein Interesse mehr besteht, sich längerfristig mit etwas zu beschäftigen. Bescheuert. Japan, das Superlativenland mit seinen Ameisenarbeitern, geht als Beispiel voran. Das Land des Lächelns. Ha! Man hat zu lächeln, auch wenn in flitzenden Monstermetropolen die Zeit davon rennt. Hauptsache, der Yen rollt. Geld, das Heilmittel für alles. Irgendwie.
Envy sind Japaner. Und steuern entgegen. Mit Erfolg. Das Ergebnis ist das Zurückerlangen verloren gegangener Charaktereigenschaften. Bescheidenheit. Zurückhaltung. Nachdenkliche Emotionalität statt unkontrollierter Wutausbrüche. Romantische Melancholie. Der Sinn und das Auge für Ästhetik. Authentizität. Subtile Schönheit. Überall. Wahrlich nicht plakativ. Ein Truck vor grauem Himmel auf dem Cover, völlig unscharfe Bilder mit verqueren Belichtungen im Booklet. Beides sicher nicht die Schönheit in reinster Form. Aber da. Da, unterschwellig schwingt etwas mit, was es trifft, was "Insomniac doze" zu etwas Besonderem macht. Vielleicht ist es auch das Konzept, die Idee dahinter, die sich durchzieht wie ein gefestigtes Weltbild. Selbst das ist nicht alltäglich heute.
Ein episches Weltbild aus Melancholie, gepaart mit wahrhaftiger Verzweifelung, die selten so sehr nach Tränen und Halsschmerzen geklungen hat. Eine fesselnde, oft beängstigende Atmosphäre, deren Sperrigkeit allgegenwärtig ist. Die aber prachtvolle Schönheit preisgibt. Diese unterschwelligen, blumigen Melodien, die so zurückhaltend, aber gleichzeitig ähnlich erleuchtend sind wie in die dunkelste Nacht einfallende Lichtstrahlen. Und wenn man sich die Zeit nimmt, die Ruhe nimmt und auch die Energie, die heute keiner mehr aufbringen möchte, um sich auf etwas Unbekanntes, Komplexes einzulassen, dann öffnet sich einem das schwerelose Meer aus umschlingenden Minimalismus und hochrot angeifernden depressivem Schmerz.
Vorbei die Zeiten, in denen Erzählgesang diesen Märchenonkelton besaß. Vorbei auch die Zeiten, in denen Envy etliche Alben lang selbst noch auf der Suche nach jenen genannten Eigenschaften waren. Intelligenter Prog-Screamo-Postrock? Post-Metal? Oder einfach unbeschreiblich. Moderne Reduktion verspricht Offenbarung und öffnet die Augen. Augen für das Wichtige, das Wesentliche, das, worauf es ankommt. Zufriedenheit. Scheiß auf Profilierung.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Scene
- Night in winter
Tracklist
- Further ahead of warp
- Shield of selflessness
- Scene
- Crystallize
- The unkonwn glow
- Night in winter
- A warm room
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Affengitarre
2020-02-05 20:53:39
Sollte nicht schaden. :)
boneless
2020-02-05 20:27:23
Haha, Idioten! :D
Im Zuge der neuen Platte könnte ich mich nach gefühlten Ewigkeiten auch mal wieder mit der Band beschäftigen.
The MACHINA of God
2020-02-05 19:47:54
Bei Spotify heisst das Album "Imsomniac Doze". Klasse. :D
hideout
2019-07-31 02:00:07
1.Further ahead of warp 5/5
2.Shield of selflessness 4/5
3.Scene 5/5
4.Crystallize 5/5
5.The unkonwn glow 5/5
6.Night in winter 4/5
7.A warm room 5/5
9,5/10
Am Rande der Perfektion, zwei Songs fallen minimalst ab und das längste Stück hat eine kleine Länge im Mittelpart, ansonsten: Wow,immer wieder ein Erlebnis. Sowohl als auch.
Zwiebel
2008-09-26 18:48:12
Jaja, wird wohl drauf hinauslaufen, dass früher oder später noch die ein oder andere PLatter dieser Band den Weg in meine Sammlung findet.
Muss diese hier aber erstmal richtig konzentriert hören, und außerdem ist auch gestern die Jesu s/t geliefert worden, die auch ihre Zeit brauchen wird sich zu entfalten...
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- Envy (26 Beiträge / Letzter am 17.07.2020 - 19:03 Uhr)