The Veils - Nux vomica
Rough Trade / Sanctuary / Rough TradeVÖ: 08.09.2006
Gegengift
Bands kommen und gehen. Songwriter bleiben. Common sense. Seit Neil Hannon The Divine Comedy aufgelöst hat, haben The Divine Comedy zwei großartige Platten gemacht. Scott Walker würde heute keine Schweinehälften gegeneinander klatschen, wenn er immer noch seine Brothers um sich rum hätte. Und Finn Andrews säße weiterhin in London und würde mit den gleichen Veils Wick-Blau-Werbejingles singen, mit denen er schon vor zwei Jahren die (recht tollen, fair enough) Wick-Blau-Werbejingles von "The runaway found" aufgenommen hatte - wenn es denn diese gleichen Veils noch gäbe. Aber: aufgelöst. Andrews zog zurück nach Neuseeland, klapperte das Land nach neuen ausführenden Mietmusikern ab und setzte sich fürs zweite Album ein hehres Ziel: "Wir müssen die Sache so furchterregend und aufregend gestalten wie möglich. Und wir brauchen die Nummer eines guten Metzgers."
Der letzte Satz war erfunden, zugegeben, aber wir gestalten hier doch auch nur unseren Job so furchterregend und aufregend wie möglich. Andrews jedenfalls ist jetzt fertig mit seiner Umorientierung und dem neuen Album seiner neuen Veils, und wer damals ordentlich geschuftet hat für sein kleines Latinum, erkennt schon am Titel, wohin die Sache führen wird. Die "Nux vomica", dt. Brechnuß, ist eine Frucht aus Südostasien, die das starke Nervengift Strychnin enthält und deshalb besonders in der homöopathischen Medizin Verwendung findet. Das giftige Heilmittel. The killer and the cure. Eine super Spielwiese für einen Neurosenjogger wie Andrews, selbstverständlich.
Natürlich ist "Nux vomica" in diese Richtung offen für alle möglichen Interpretationen. Aber auch ohne sich jetzt in irgendetwas verrennen zu müssen, verrät hier schon das erste Stück, daß die Sache diesmal mindestens zweigleisig abläuft. "Not yet" geht mit drolliger Westerngitarre und kleinen Hopsern am Schlagzeug los, aber es dauert nicht lange, bis Andrews zum ersten Mal seine Stimmbänder auswringt. Das Krähenkrächzen liegt ihm noch immer, den Popsong mit viel Schminke um die Augen hat er allerdings auch nicht verlernt. Das Gefährlichste am sonst so harmonisch vertändelten "Calliope!" ist folglich das Ausrufezeichen. Und "Advice for young mothers to be" vergißt bei all seinem vielstimmigen Singsang fast, daß es ein verdammter Reggae-Song ist. Den Veils wird aber bald schon wieder einfallen, was sie eigentlich vorhatten.
"Jesus fort the jugular" setzt die erste richtige Giftspritze. Was da im Aktenvernichter landet, könnte beinahe John Cales schönste Viola sein. Von Drohgebärden hat auch "Pan" schon gehört; über donnerndes Kampfgetrommel und Andrews' Paranoia steigert sich der Song in ein wutentbranntes Crescendo hinein. "You ain't nothing but a child" hallt als Schlüsselzeile auch Minuten später noch nach, wenn die Platte mit "Under the folding branches", in dem jeder Ton aus Piano, Cello und rostiger Kehle zu vibrieren scheint, wieder runterkommt. Die Frage, ob sich "Nux vomica" nicht manchmal übernimmt mit seiner unbedingten Zerfahrenheit, bleibt trotzdem offen bis zum Schluß, obwohl sich das Akkordeon aus "House where we all live" nochmal als bedächtiger Vermittler anbietet. Selbst der schwierigste Patient muß schließlich erstmal ruhig gestellt werden, bevor man ihm was auch immer verabreichen kann.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Not yet
- Pan
- Nux vomica
- Under the folding branches
Tracklist
- Not yet
- Calliope!
- Advice for young mothers to be
- Jesus for the jugular
- Pan
- A birthday present
- Under the folding branches
- Nux vomica
- One night on earth
- House where we all live
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arnold flammenzorn
2013-07-25 19:51:29
großartiges album. kennt ihr viele bands, die in die richtung der härteren/düsteren songs des albums gehen (not yet, jesus for the jugular, pan, nux vomica)?
Gordon Fraser
2009-06-07 19:38:34
Not Yet 9/10
Calliope! 7,5/10
Advice For Young Mothers To Be 9,5/10
Jesus For The Jugular 6/10
Pan 7/10
A Birthday Present 9,5/10
Under The Folding Branches 8/10
Nux Vomica 8,5/10
One Night On Earth 9/10
House Where We All Live 8/10
"One Night On Earth" ist der beste Interpol-Song, den Interpol noch nicht geschrieben haben. Die Highlights auf diesem Album sind die beiden fast fröhlich zu nennenden Nummern, während mir "Jesus..." und "Pan" etwas zu sehr dröhnen. Trotzdem ein tolles, tolles Album.
8,5/10
pete
2009-05-02 12:16:40
ich versteh die welt nicht mehr. wie konnte mir das album damals zu release zeiten nicht gefallen?
ich hör seit wochen nichts anderes mehr. wie unglaublich gut sind denn alleine Not yet, Calliope! und House where we all live?
DerZensor
2006-10-18 13:59:08
Ich fand's also super, gestern.
Pyrus
2006-10-18 12:23:17
Hm, gestern in Basel war's auch recht seltsam. The Veils sollten eigentlich die Babyshambles supporten, die aber schon im voraus abgesagt hatten, so dass The Veils dann alleine spielen mussten. Schienen eigentlich gut aufgelegt zu sein, sind dann aber trotzdem nach einer Dreiviertelstunde schon verschwunden. Dann liessen sie sich nochmal rausklatschen und meinten "we thought you hated us, so we ran away". Nach zwei weiteren Songs war dann trotzdem Schluss, was mich vor allem irritierte, da dauernd noch eine Akustik-Gitarre rumstand, ohne je angerührt zu werden.
Scheinen recht launisch zu sein die Typen, aber unfreundlich oder total abgehoben wirkten sie auf mich nicht.
Hm, soundmässig hätte ich mir etwas mehr schräges Rumpeln gewünscht.
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