Yo La Tengo - I am not afraid of you and I will beat your ass
Matador / Beggars / IndigoVÖ: 08.09.2006
Tango ghosts
Spätestens seit Paris Hilton neulich auf Hugh Hefners Geburtstagsparty ein Ständchen hustete und sich anschließend mit den Worten "Du magst 80 sein, verhältst Dich aber wie 20 und siehst aus wie 40!" an ihren Gastgeber wandte, dürfte feststehen, daß jeder Mensch die Jubiläumsfeier kriegt, die er verdient. Yo La Tengo, die beste Band aller Zeiten aus Hoboken, New Jersey, möchte man deshalb aber nichts unterstellen, versteht sich. Diese erwiesenen Supermenschen dürften andere Gründe dafür gehabt haben, die Festivitäten zum 20. Geburtstag ihrer ersten LP selbst in die Hand zu nehmen. Stolz? Gesundes Mißtrauen? Lust? "I am not afraid of you and I will beat your ass" ist jedenfalls eine Art Retrospektive der Bandgeschichte - nur daß kein einziger alter Song auf dieser Platte drauf ist.
Andere Gruppen hätten den Anlaß natürlich genutzt, um mit Luftschlangen und Konfettikanone anzukommen. Bei Yo La Tengo hingegen rieselt erstmal eine Handvoll Kidsmoke von der Decke. Das elfminütige "Pass the hatchett, I think I'm goodkind" macht es sich in aller Breite ungemütlich, nach 150 Sekunden geht beiläufig der Gesang los, er kommt kaum durch gegen Nebelmaschinengitarren, fünf unumstößliche Baßtöne und das verstimmte Schlagzeug von Georgia Hubley. Sie scheint überhaupt die große schlecht Gelaunte auf dieser Platte zu sein. Während Ehemann Ira Kaplan sich nämlich mit luftleerem Falsettgesang durch den Jazzparcours von "Mr. Tough" mogelt, geht sie zugrunde am tödlich verwundeten "I feel like going home" und seinen Ende-der-Welt-Geigen. Vom Start weg will sich das Album nicht auf eine Stimmung festnageln lassen.
Fixpunkte sind deshalb schnell gefunden für diese Eklektizismus-Gala mit großem Bläser- und Streicher-Showteil. "The room got heavy" bringt es fertig, Doors-Orgeln und Tribal-Drums nach einem Velvet-Revolver-, äh, -Underground-Song klingen zu lassen. "Black flowers" lehnt sich an bei jenen Momenten der Besinnlichkeit, in denen Wayne Coyne all seinen großartigen Space-Quatsch vergißt und zufrieden damit ist, ein Songwriter wie niemand sonst zu sein. Das barjazzige Piano aus "Sometimes I don't get you" wirkt zur Albummitte wie Jungbrunnen und Erfrischungstuch in einem und hätte auch von jenen kanadischen Schönheits-Spinnern namens Islands sein können. Und zusammengehalten wird das alles allein vom guten Willen seiner Erfinder. Wobei auch ein bißchen Uhu im Spiel gewesen sein könnte.
Selbst die unüberhörbaren Längen der Platte erfüllen dabei ihren Zweck; nach dem neunminütigen Glibber-Instrumental "Daphnia" fühlen sich der Hinterhofrock von "I should have known better" und die atemlose Punk-Bemerkung "Watch out for me, Ronnie" an, als würde der Korken aus einer tüchtig durchgeschüttelten Sektflasche rausfliegen. Jedes kurz eingeworfene Gitarrensolo, Saxophon oder Cello, jede Trompete, Posaune und Violine trägt hier zu einem ebenso klugen wie selbstbewußten Album bei - man möchte sich das Wörtchen "Angeberplatte" nur aus Respekt vor den Menschen dahinter verkneifen. Das brillant übersteuerte, erneut endlose Abschlußlied "The story of Yo La Tango" zerstreut als ausdauernder Hindernislauf jedenfalls ein letztes Mal die Gedanken - auch wenn es trotz seines Tipfehler-Titels nicht tanzbarer ist als ein Auffahrunfall. Irgendwas mußten Yo La Tengo schließlich noch für die B-Seiten übriglassen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Pass the hatchett, I think I'm goodkind
- I feel like going home
- Black flowers
- I should have known better
- The story of Yo La Tango
Tracklist
- Pass the hatchett, I think I'm goodkind
- Beanbag chair
- I feel like going home
- Mr. Tough
- Black flowers
- The race is on again
- The room got heavy
- Sometimes I don't get you
- Daphnia
- I should have known better
- Watch out for me Ronnie
- The weakest part
- Song for Mahila
- Point and shoot
- The story of Yo La Tango
Im Forum kommentieren
kingbritt
2020-05-27 13:18:18
. . . nein nein, Jennifer alles gut. Derzeit die nötige Zeit für eine Session zu haben oder sich nehmen zu können, meine ich mit Luxus.
Jennifer
2020-05-27 11:54:02
"gestern waren wir ja auch nur zu viert" ist derzeit auch etwas Luxus.
Falls das negativ rüberkam, war es definitiv nicht so gemeint. Ich fands auch in kleinerer Runde sehr angenehm und gesellig.
kingbritt
2020-05-27 11:46:23
Das ein oder anderen Stück der Riot geht so ganz leicht Richtung Canterbury.
Etwas off-Topic dazu, ein tolles Canterbury-Album von norwegischen Gitarristen und Sängers Björn Klakegg mit seiner Band Needlepoint 2016 "Aimless Mary"
kingbritt
2020-05-27 11:05:22
"gestern waren wir ja auch nur zu viert" ist derzeit auch etwas Luxus.
ZoranTosic
2020-05-27 11:03:37
Der absolute Höhepunkt findet also am 09.06. statt. DAS Album für die Ewigkeit mit DEM Opener für die Ewigkeit. Ein Fest ;-)
Gestern die Teilnahme leider wieder verpennt sehr schade.
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