The Roots - Game theory
Def Jam / Island / UniversalVÖ: 01.09.2006
Beschwörungstheorien
Es ist ja vermutlich nur ein kleiner Flüchtigkeitsfehler, daß in der Biographie zur neuen Platte von The Roots stolz verkündet wird, man habe sein erstes Konzert vor zahlenden Mengen im Jahr 1889 gegeben. Das Gefühl, das die Band seit jeher umgibt, fängt so ein Typo aber äußerst angemessen ein. Es scheint eben, als seien The Roots schon immer dagewesen. 19 Jahre liegt die Gründung mittlerweile zurück, elf die erste Wegweiser-Platte "Do you want more?!!!??!", sieben der Grammy-Hit "You got me" mit Erykah Baduhs Vocals aus der Zaubermütze, vier das nicht zu überholende "The seed 2.0" mit Cody Chesnutt als Pacemaker. Und ?uestlove sieht mittlerweile aus, als hätte er in der Zwischenzeit nicht ein kleines Nickerchen gemacht. Es gibt halt immer was zu tun.
"Game theory" dürfte sich für das große Roots-Gehirn unter dem nicht halb so großen Afro aber immerhin wie ein Kurzurlaub angefühlt haben. Nachdem die Experimentierfreude der Band im Jahr 2002 ihren bis heute gültigen Höhepunkt erreicht hatte, folgte erst die politisierte Block Party "The tripping point" und nun ein weiterer Stemmschritt Richtung Gradlinigkeit. Die Hooklines machen sich groß und werden breitgetreten, ?s Livedrums zerrapeln jedes Detail im ohnehin schon strammstehenden "Here I come". Und wenn doch mal die Besinnung flöten geht und "Livin' in a new world" mit dem nächstbesten Horizont verschwimmen will, hält doch gleich wer den Daumen drauf. Disziplin soll der Schlüssel sein.
Es liegt sicherlich auch daran, daß The Roots mit "Don't feel right" wieder ein Vorabbrett gehobelt haben, das bruchsicher genug für die Charts und verschnörkelt genug für das Leben danach ist, daß zunächst gar nicht auffällt, was für eine düstere und ruhige Platte "Game theory" geworden ist. In "False media" flüstert sich Wortvorkoster Black Thought eine seiner eindringlichen Beschwörungstheorien zusammen. Trauerfeiernde Streicher zwängen sich unter drei der Tracks. Und erst mit dem abschließenden, herausragenden "Can't stop this" offenbart sich die eigentliche Bestimmung dieser Platte: ein Requiem für J Dilla, den unlängst verstorbenen "Muhammad Ali of beats". HipHop und Gefühle, weißt Du? Ein Album mit Trauerflor.
Bis "Game theory" aber erstmal ankommt bei dieser Erkenntnis, vergehen selbst auf der bisher kürzesten und kompaktesten Roots-LP zu viele Minuten, in denen Philadelphias beste HipHop-Band nicht an G-Unit-Rap für Aufmerksamkeitsbegabte vorbeifindet. "Baby" bleibt an seiner eigenen Trägheit hängen, der Kopfnicker "In the music" biegt einmal falsch ab und steht plötzlich vor einem Schulterzucker-Refrain. Nichts natürlich gegen den Ansatz, eine runtergeschraubte, überschaubare Platte zu machen. Erst recht nichts gegen die Tongue-Twister-Show, die Black Thought einmal mehr abzieht. Wenn man am Ende eines Roots-Albums aber "Ist das alles?" fragt, statt sich nach dem nächstgelegenen Sauerstoffzelt zu erkunden, ist irgendwas schief gegangen. Immerhin sicher: ?uestlove wird nicht ruhen, bis die Sache geklärt ist.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Don't feel right
- Long time
- Can't stop this
Tracklist
- Dilltastic vol won(derful)
- False media
- Game theory (feat. Malik B.)
- Don't feel right (feat. Maimouna Youssef)
- In the music (feat. Malik B. & Porn)
- Take it there (feat. Wahud Ahmad)
- Baby (feat. John-John of Nouveau Riche)
- Here I come (feat. Dice Raw of Nouveau Riche & Malik B.)
- Long time (feat. Peedi Peedi & Bunny Sigler)
- Livin' in a new world (feat. John-John of Nouveau Riche)
- Clock with no hands (feat. Mercedes Martinez of The Jazzfatnastees)
- Atonement (feat. Jack Davey of J*Davey)
- Can't stop this
Im Forum kommentieren
Kojiro
2024-02-11 20:30:05
Nein.
Eiersalat
2024-02-11 16:03:41
Unglaublich diese Witzwertung.
Das Album kratzt an der 10.
The MACHINA of God
2021-05-05 08:42:29
Schon längst geklärt, ging um "The seed".
ijb
2021-05-05 00:36:14
"Phrenology" kenn ich noch gar nicht. Ist das die mit dem "Hit"?
Kommt drauf an, welchen Hit du meinst. Ich denke bei Roots & Hit zuerst an "You Got Me" mit Erykah Badu - und das ist von "Things Fall Apart". "Phrenology" ist die erste Platte von denen, die weniger nüchtern und stattdessen stilistisch viel bunter und ausufernder ist.
@ AliBlaBla:
Da geh ich mit, tausche aber "Tipping Point" gegen "Rising Down". Die anderen genannten sind aber auch nicht wirklich weniger super.
Kojiro
2021-05-04 22:01:43
Lange nicht gehört. Mein liebstes Roots Album ist allerdings "Rising Down". Dicht danach "Phrenology" & "Things Fall Apart". Eigentlich eine Schande, dass Black Thought so unverschämt underrated ist. Ein wirklich extrem guter MC.
https://youtu.be/prmQgSpV3fA
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