Fetish - So many prophets

Virgin
VÖ: 19.02.2001
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Stoßgebete zum trüben Himmel

Da rockt es zunächst los als hätte man eine Horde Menschen unter der Prämisse großgezogen, möglichst Tori Amos und Garbage zu hören. Dauerbeschallung in Südafrika? Sollte das etwa mit dem zweiten Album der Band Fetish gemeint sein? Ein Versuch von verrückten Wissenschaftlern oder Promotern? Hirngespinste über ein musikalisches Langzeitexperiment, oder doch vielleicht mit wahrem Kern? Aber der Reihe nach, Fetish kommen wirklich aus Südafrika, musizieren seit 1998 bei der Virgin und klopfen ganz bestimmt an die Veröffentlichungs-Highlights-Pforte für den späten Februar 2001. Sicher, an Michelle, Dominic, David und Ross wird kaum eine Musikzeitung im Frühjahr haltmachen können, aber lohnt sich der Hype für eine Band, die klingt wie bereits zitierte Tori Amos im Rockrausch oder wie Garbage mit Rosenkranz?

Der Opener, der 1996 gegründeten Band um die charismatische Michelle Breeze beginnt vielversprechend. "If" spannt von der ersten Sekunde das Gehör und den Geist an. Michelle leidet vorzüglich und singt mal gequält, mal engelsgleich zu düster-beklemmenden Untermalungen. "I want to take your love inside / I want to take your breath inside". Schwere Kost gleich am Anfang, praktisch unverdaulich für den Sonntag-Vormittag. Aber vielleicht für den Freitagabend mit Freunden bei besinnlichem Kerzenlicht? Dann folgt "Permanent". Entspannender hat eine Shirley Manson nie intoniert. Zu Uptempo-Rock spannt sich das sphärisch-nachdenkliche Gerüst um die Gehörgänge. Widerstandslos entdeckt man in den melancholischen Texten auch hin und wieder kleine kindlich-entrückte Glücksgefühle. So trommelt der liebliche Refrain des sonst so bitteren "So many prophets" auf die Endorphin-Drüse des Zuhörers. Zeilen wie "Was I a slave before I realised what was going on? / A slave to conform" lassen die Suche nach Erkenntnis bitter schmecken. Der Mensch ist ein Herdentier, er leidet gerne mit und hört bevorzugt Leidensphantasien aus einer Zwischendimension.

Im Falle Fetish stammen solcherlei vertonte Geschichten aus dem Munde von Ms. Breeze. Manchmal schleicht sich das Gefühl einer ebenso traurigen Heather Nova in die Textpassagen. Diese Passagen wandeln sich zu Oasen der Entspannung ("Leah", "So fast" und "Ground below"). Auch Tori Amos sind solch Momente bereits geglückt. Sucht man eine rockigere Katharsis, findet man sie bei Garbage. Trotzdem entfacht die Platte eine düstere Dynamik, die Intensität der Emotionen steht kontrastiv der Rock-Intensität gegenüber. Nach drei rockenderen Tracks zu Beginn fällt das Tempo aber merklich ab. Man droht, sich in Sound-Phantastereien mit emotionellen Rosenkranz-Mitteilungen über menschliche Schwäche und Verfehlungen zu verlieren. "A prayer for you don't you learn to fear life / I've hidden in the night for too long / Too afraid to let the sun warm my heart / 'Cause love has burnt us all once" schmettert uns die Stereobox ganz leise und verspielt entgegen. Wenn man Michelles Stimme ausschalten würde, hätte man einen Soundtrack für einen Schwarz-Weiß-Stummfilm über französische Friedhöfe der Renaissance.

(Daniel Bellingradt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • So many prophets
  • If
  • Awkward
  • Mind in two

Tracklist

  1. If
  2. Permanent
  3. So many prophets
  4. Leah
  5. So fast
  6. A reel's romance
  7. Mind in two
  8. Awkward
  9. Ground below
  10. Malice
  11. Fear of hurting
Gesamtspielzeit: 52:34 min

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