Schweisser - Pororoca

25.08.2006
VÖ: 25.08.2006
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
4/10

Flasche leer

Gehen wir mal ein paar Jahre zurück. So in die Mitte der Neunziger. Da machte eine junge Truppe aus dem Bayrischen mit gutklassigem deutschsprachigen Metal auf sich aufmerksam. Zunächst reinrassiger Thrash, dann etwas gemäßigter, aber dafür nicht weniger wuchtig. Ein Bandname wie Programm: Schweisser. Genauso programmatisch auch der Albumtitel: "Eisenkopf". Und zur Belohnung durfte man als erste deutschsprachige Band überhaupt auf dem legendären Dynamo-Festival auftreten. Welcher Teufel dann aber Chefdenker Thomas Böck geritten hat, ein an Liquido und ähnlich harte Burschen angelehntes Popalbum zu veröffentlichen, wissen nur die Götter. Fakt ist, daß "Bitte warten" ein derartiger Schuß in den Ofen war, daß die alte Plattenfirma noch heute wegen der Kohle mit Böck prozessiert.

Nehmen wir nun, im Jahr 2006, mal zu Böcks Gunsten einmal an, er habe wieder Bock auf Musik. Er sammelt zwei Mitstreiter um sich und gräbt den Namen Schweisser - Namensrechten sei Dank - wieder aus. "Pororoca" - hilfreicherweise unterstützt das Labelinfo bei der Übersetzung des Titels - bedeutet in der Sprache der Tupi "großer Lärm". Der dröhnt dem erschütterten Hörer auch gleich entgegen. Sicherlich will niemand Pro-Tools-Einheitsbrei hören. Aber dieses Geschepper ist nicht "warmer Analogklang" oder "erdig", sondern einfach nur stümperhaftes Gerödel. Manchmal wünscht man sich einen körperlichen Verweis für den Engineer, der das verbrochen hat.

Trotzdem vermag "Gelbkarierte Sakkos" durchaus zu überzeugen. Nämlich mit einem schön dampfenden Riff und einem sich herrlich auskotzenden Böck. "Blöd zu sein ist ja okay / Doch noch dazu geschmacklos." Dazu das Saxophon, das schon auf "Eisenkopf" für Abwechslung sorgte. In "Verlegt und verloren" dann die Abrechnung mit der alten Plattenfirma. Klar, das Duell kleiner Musiker versus Rechtsabteilung eines multinationalen Konzerns geht immer schlecht aus. Aber es ist schon bitter, wenn die alte Firma ein Exempel statuieren will und die Differenz zwischen Vorschuß und Einspielergebnis zurückhaben will.

Ziemlich bald stellt sich allerdings heraus, daß damit das kreative Pulver längst verschossen ist. Allzu selten blitzt noch die alte Attitüde so wie in "Verwählt" auf: "Wer hat Angst vor der schwarzen Frau? / Wer hat Angst vorm Super-GAU?" Ansonsten dominiert Mittelmaß. Was mit zunehmender Spieldauer eine entscheidende Frage aufwirft: Lieber Thomas Böck, warum mußte diese Platte unbedingt unter der Fahne "Schweisser" erscheinen. Mit denen hat "Pororoca" nämlich so überhaupt nichts zu tun. Textlich durchaus okay und gewohnt unpeinlich, schwanken die Songs stilistisch zwischen Die Ärzte, einer gewissen Frankfurt-Dubliner Band und Straßenköterpunk-Dutzendware und erinnert mitunter sogar an den unseligen Herrn Witt. Einzig Metal sucht man größtenteils vergeblich. Hingegen merkt man "Pororoca" jederzeit an, daß hier eine Mannschaft ihren Weg noch nicht gefunden hat. Der Neuanfang wird insofern verpaßt, daß die mit dem Namen Schweisser verbundene durchaus positive Erwartungshaltung grandios versiebt wird. Ein echter Jammer.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Gelbkarierte Sakkos
  • Verlegt und verloren

Tracklist

  1. Gelbkarierte Sakkos
  2. Verlegt und verloren
  3. Helden
  4. Freiheit?
  5. Zu kurz
  6. Zu lang
  7. Tausend Mal Du
  8. Verwählt
  9. Die binären Idioten
  10. Noch mehr
  11. Tage mit Wir
Gesamtspielzeit: 39:22 min

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  • Schweisser (10 Beiträge / Letzter am 10.11.2017 - 19:59 Uhr)