Blackmail - Bliss, please
Speicherstadt / WarnerVÖ: 26.02.2001
Wohlgefühl erbeten
Mit Erpressungen rechnet niemand ernsthaft, schon gar nicht, wenn sie in einem freundlichen Rosa ins Haus flattern. Eine köstliche Torte wiegt uns in der Sicherheit eines Nachmittagskaffees. Wohl schmecken die ersten Bissen, aber bald schon beginnt es in der Füllung merkwürdig zu kriechen. Eine massive Wand aus bittersüßlichen Klängen springt plötzlich aus der Torte wie aus einem Trojanischen Pferd hervor. Aufdringliche Gitarrentöne summen wie Fliegen um die Nase und nagen an überraschten Ohrläppchen. Diagnose: Blackmail.
Was sich vor knapp zwei Jahren mit "Science fiction" andeutete, wird auf dem dritten regulären Album der Koblenzer offensichtlich. Niemand macht ihnen etwas vor, wenn es um spacige Gitarren, verdrehte Sounds sowie einen Druck geht, der alle Luft aus den Lungenflügeln preßt. Statt jedoch auf puren Noise zu setzen, zaubern die Herren um Aydo Abay und Kurt Ebelhäuser Melodien hervor, die sich Nadeln gleich direkt unter die Haut injizieren. "I was affected by the latest bliss / Come on over and take the risk" heißt es. Mal sorgt der Glücklichmacher der Wahl in knapp drei Minuten für den schnellen Kick. Dann wieder breitet er sich fast sieben Minuten lang wellenförmig aus, um so ein orgiastisches Grinsen aufs Gesicht des Zuhörers zu zaubern. "I saw the best before the morning."
Niemals jedoch bestimmt Kalkül die Richtung. Vielseitigkeit und Abwechslung sind Tugenden, die sich Blackmail hinter alle acht Ohren geschrieben haben. Während Sänger Abay mit Drummer Mario Matthias in ihrem Projekt Dazerdoreal mit Klangwolken zwischen TripHop und Krautrock die Atmosphäre füllt, läßt Saitenzauberer Ebelhäuser seine ungezügelte Kreativität auch bei Scumbucket heraus. Wenn sich die vier aber wieder einmal im gemeinsamen Proberaum treffen, knistert sofort hörbar die Luft. So blitzen in allen Songs immer wieder verrückte Ideen mit Hand und Fuß auf, um sofort einen ausgedehnten Spaziergang im Gehörzentrum zu machen.
Zwischen schwebendem Mellotron, jazzigem Gebläse und grasumnebelten Gitarren säuseln bittersüße Melodien wie Rasierklingen. Dann wieder spucken krachige Songs wie "Emetic" oder "Club 45" lauthals an die Wände eines krachbesetzten Wohnzimmers. Dies alles ist mittlerweile völlig egal. Die Augen halb geschlossen wiegt man sich in den Sounds und vergißt dabei Raum und Zeit. Eindrücke lösen sich in Wohlgefallen auf. Wer jetzt nicht abhebt, um endgültig mit den Fliegen davonzuschwirren, ist selber schuld. Doch auch diese Flügel haben Widerhaken. "It's so cosy in hell." Angstschweiß perlt in der düsteren Junkiephantasie "Ken I die" herab. Klingt der Titel des Albums noch fast schüchtern, beweisen Songs wie die sofort abhängig machende Single "Same sane" augenzwinkerndes Understatement. "Never be the same again", denn "Bliss, please" ist keine Bitte, sondern ein Befehl an Herz und Hirn: Wohlgefühl jetzt!
Zum Blackmail-Interview-Special
Highlights & Tracklist
Highlights
- Same sane
- A reptile for the saint
- Ken I die
- Permanently temporary
Tracklist
- Data buzz
- Same sane
- Amelia
- A reptile for the saint
- For sure
- Emetic
- By any method
- Dee
- The small saving tar pit
- Frop
- Ken I die
- Club 45
- Sad sauce
- Permanently temporary
- Leave on
- The day the earth stood still
Im Forum kommentieren
The MACHINA of God
2020-07-21 13:01:17
Schön beschrieben. Stimmt ich zu.
Lieblingsstelle: Wenn "Amelia" nach dem Trompeten-Solo auf einmal heftiger denn je zurückkommt und die Gitarre gleich noch mit querschießt.
boneless
2020-07-19 18:37:40
Im Zuge des Re-Releases mal wieder gehört. Das pinke Vinyl passt perfekt zum Artwork und es klingt sehr gut. Schön ist auch, dass die Tracklist verändert bzw. erweitert wurde und man mit Euthanasia bspw. eine B-Seite draufgepackt hat, die dem ursprünglichen Album wirklich fehlte. War damals sogar der Grund, warum ich mir extra die Same Sane Single kaufte, denn das ist schlicht ein Monstersong.
Ansonsten ist und bleibt dieses Album eine Schatzkiste alternativer Pop- und Rockmusik. Ein großartiges Sammelsurium mit einigen der besten Stücke, die die Koblenzer je geschrieben haben. Die musikalische Vielfalt ist enorm und trotzdem wirkt Bliss, Please nie zerrissen, sondern stets wie ein untrennbares Ganzes. Auch die gehörige Länge fällt nicht negativ ins Gewicht, denn einen schlechten Song sucht man hier in der Tat vergeblich. Zwar sind nicht alle so unantastbar wie Same Sane, A Reptile for the Saint, Amelia oder Ken I Die, aber qualitativ fällt da im Grunde nichts ab. Der dramatische Instrumentalbrocken The Day The Earth Stood Still rundet ein Album ab, auf das die deutsche Musikszene auch in 50 Jahren noch stolz sein kann und wird.
Und jetzt heißt es warten auf einen Re-Release des Debüts, von Science Fiction und Aerial View.
Huhn vom Hof
2020-01-26 14:23:25
"Amelia" und "Ken I Die" sind zeitlose Klassiker. Dieses Album wäre auch mal eine Listening-Session wert.
Armin
2020-01-25 16:41:10- Newsbeitrag
Blackmail - 1997 - 2013 (Best of + Rare Tracks)
Blackmail war eine der - wenn nicht DIE - konsistenteste deutsche Rockband.
Neben den zwei Meilensteinen und Reissues „Friend or Foe“ und „Bliss, please“ kommt das nagelneues Album „1997 – 2013“. Auf dem Werk sind die größten Hits der Schaffensphase versammelt, sowie einige Raritäten und B-Seiten. Insgesamt 23 Songs die ab 24.04. als Doppel-LP oder Doppel-CD erhältlich sind. Da sollte das Herz für alle Alternative- und Indierockfans höher schlagen.
Das Kompetenzzentrum in Sachen Rockmusik, das ebenso Kurts Liebe zu Beatles'ken Melodien offenbart, wie es mit grugelnden Orgeln im Psychedelic Rock der 70er verankert ist, vor dem Indie und Grunge der 90er kurz den Hut zieht und damit am Ende selbst internationalen Top-Bands der Neuzeit wie etwa den Queens of the Stone Age das Wasser der Brachialität und Unmittelbarkeit abgräbt.
Gatefold, 2LP (+CD Beilage) und 2CD
(...) „Was für eine - erneute - Wiedergeburt einer Band, ohne die Deutschlands Musikszene um einen sehr entscheidenden Baustein ärmer wäre.“ (Sascha Krüger 2013)
(...) "Die schiere Wucht der Gitarren ist bombastisch. So fett klangen die Koblenzer noch nie... BLACKMAIL sind besser denn je." 10/10 Punkten (SLAM)
(…) "Blackmail sind inzwischen eine Institution in der deutschen Musikszene. Gut, das sind Die Ärzte oder Die Toten Hosen auch. Doch, was die beiden genannten Truppen nie geschafft haben, haben Blackmail gleich mehrfach hingekriegt. Sie haben sich neu erfunden. Gitarrenmusik mit viel Melodie, Enthusiasmus und Knalleffekt." 5/6 Punkten (Westzeit)
Tracklisting:
CD 1/LP1 1. When I start today 2. Gone too soon too far 3. Ken I Die 4. Same sane 5. Airdrop 6. It could be yours 7. Moonpigs 8. Everyone safe 9. (Feel it) Day by Day 10. It´s always a fuse (to) live at full blast 11. Deborah 12. Nightschool 13. Impact CD 2/LP 2 1. Today 2.The light of the son is the son of the light 3. Booth Baby 4. Euthanasia 5. Foe 6. Slow Summer 7. Love Like Blood 8. Mad World 9. Carmine 10. Dare Defender
Video “Moonpigs”
Video “Same sane”
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Blackmail – Friend or Foe (Reissue)
"Wären Blackmail Amerikaner, würden sie Millionen Platten verkaufen, zusammenmit den Queens Of The Stone Age auf Tour gehen und sich die Billboard-Charts von
ziemlich weit oben anschauen". Das Album wurde ursprünglich nur in einer sehr kleinen Auflage produziert und war etliche Jahre nicht erhältlich.
(Gatefold, 180 Gramm, weisses Vinyl, Inkl. CD Beilage, remastered, limitiert auf 500 Stück)
Platz # 73 (2003) der deutschen Charts,
Platz # 72 der japanischen Charts,
Platz # 141 der „150 Platten für die Ewigkeit“ (Visions, 2005),
4,6/5 Punkten bei discogs.de
(…) „Das ist mächtig. Zerbrechlich. Großes Kino.“ PLATTE DES MONATS. 10/12 Punkten (VISIONS 2003)
(…) „Mit Bliss, Please ist Blackmail vor zwei Jahren ein kleiner Durchbruch gelungen, der ihnen zu gönnen war für ihre unnötig oft als beatlesk beschriebene Mischung aus klassischem Indie-Rock in der Nähe der frühen The Notwist, gekonntem Pop-Songwriting und einigen Seventies-Anleihen. Friend Or Foe? ist das bisher beste Blackmail-Album geworden und jenes mit dem strahlendsten Song-Moment. PLATTE DER WOCHE (Spiegel.de)
(…) „Wären Blackmail Amerikaner, würden sie Millionen Platten verkaufen, zusammen mit den Queens Of The Stone Age auf Tour gehen und sich die Billboard-Charts von ziemlich weit oben anschauen… ein großer Song jagt den nächsten. “ 5/5 Punkten (Laut.de)
(…) „Friend or foe? tanzt auf vielen Hochzeiten. Der Star ist das Album. Elf Freunde müßt ihr sein. "Friend or foe?" Blackmail stellen die Vertrauensfrage, und es kann nur eine Antwort geben. Ein Album mit der Kraft der Naturgewalten. “ 8/10 Punkten (plattentests.de)
(…) „BLACKMAIL sind eine herausragende Indierock-Institution hierzulande, und dieses Album wird ihren Status gewiss untermauern.“ (OX)
Tracklisting:
1. Airdrop 2. Evon 3. It could be yours 4. On the tightrope 5. Sunday Sister 6. Fast Summer 7. Leave 8. Nobody's Home (In My Home I'm Alone) 9. Dive 10. All mine 11. Friend
Video “It coul be yours”
Video “Ken I die”
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Blackmail – Bliss Please (Reissue)
Blackmail sind längst ihre eigene Kategorie. Den Fuß irgendwo im Noiserock, den Kopf im Pophimmel und durch absolut nichts mehr zu stoppen. Das Album wurde ursprünglich nur in einer sehr kleinen Auflage produziert und war etliche Jahre nicht erhältlich.
Gatefold, 180 Gramm 2xPink Vinyl, Inkl. CD Beilage, remastered, limitiert auf 500 Stück
# 56 (2001) der deutschen Charts
# 421 der „Die 500 besten Alben aller Zeiten“ (Rolling Stone, 2004)
(…) „Bliss, Please“ ist ein solcher Wahnsinn von einem Album, dass mir eben nichts anderes einfällt als: Oh Mann! Blackmails „Bliss, Please“ ist das White Album des neuen Jahrtausends. Und damit schon genug mit den Vergleichen, denn die hat diese Platte absolut nicht nötig. Blackmail sind längst ihre eigene Kategorie. Den Fuß irgendwo im Noiserock, den Kopf im Pophimmel und mittlerweile durch absolut nichts mehr zu stoppen.“ 10,5/12 Punkten (VISIONS 2001)
(…) „Rasiermesserscharfe Songs, denen sich keiner entziehen kann. Blackmail mit ihrem dritten Werk auf den Olymp des Musikhimmels zu hieven wäre nicht korrekt, sie bewohnen nämlich schon quasi den Aussichtsturm dort oben!“ 5/5 Punkten (Laut.de)
(…) „Vibraphone, Trompeten und Streicher verwandeln die erdige Soundbasis in einen faszinierenden, intensiven Abenteuerurlaub fernab klinischer Maschinensounds und aalglatter Trallala-Melodien. BLACKMAIL haben Charakter und Seele, und welch größeres Kompliment kann man Musikern schon machen?“ 8/10 Punkten (Rock Hard)
(…) „Die Augen halb geschlossen wiegt man sich in den Sounds und vergißt dabei Raum und Zeit. Eindrücke lösen sich in Wohlgefallen auf. Wer jetzt nicht abhebt, um endgültig mit den Fliegen davon zu schwirren, ist selber schuld. Bliss, please ist keine Bitte, sondern ein Befehl an Herz und Hirn: Wohlgefühl jetzt!“ 9/10 Punkten (plattentests.de)
Tracklisting:
Side A 1. Data Buzz 2. Same Sane 3. By Any Method 4. Dee 5. The Small Saving Tar Pit Side B 1. Amelia 2. Ken I Die 3. Club 45 4. Euthanasia 5. Booth Baby Side C 1. Frop 2. A Reptile For The Saint 3. For Sure
4. Emetic 5. Sad Sauce Side D 1. Permanently Temporary 2. Wedding Present 3. The Day The Earth Stood Still
Video “Same sane”
Video “Amelia”
The MACHINA of God
2019-04-07 20:34:05
Und "Permanently temporarily"!
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