Tapes 'N Tapes - The loon

XL / Beggars / Indigo
VÖ: 04.08.2006
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Verspult

Alle Jubeljahre kommt mal eine Band vorbei, mit der man sofort und für immer einen ganz bestimmten Satz verbinden möchte. Im Fall von Jakob Dylans Wallflowers war das etwa "Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, aber dafür schimmelt er manchmal ziemlich schnell." Als Limp Bizkit herausfanden, wie sich mit New Metal Geld verdienen läßt, kam man auf Gedanken wie "Wenn das jetzt die Zukunft der Musik ist, brauche ich die Telefonnummer von Marty McFly, verdammt." Und als, sagen wir mal, Rammstein den Teutonengrillrock erfanden, sahen spontane Reaktionen ungefähr so aus: "…" Aber Tapes 'N Tapes? Sind viel einfacher, keine Sorge. Man muß sich ihr Debütalbum "The loon" nur einmal anhören, dann darf man schon denken: "Waren das noch Zeiten!"

Und es geht dabei gar nicht um alte Kassettennostalgie, selbstbemalte Mixtapes und die ersten Ghettoblaster, die nur mit Beiboot transportabel waren. Nein, es geht doch eher um eine Zeit, als die CD zwar schon erfunden, aber dafür noch nicht alles Mögliche mit Gitarren angestellt worden war. Indierock, 1995, Pavement, Modest Mouse, Built To Spill. Diese Ecke. Tapes 'N Tapes drängeln sich da gerade noch mit rein, Clap Your Hands Say Yeah haben uns ja letzten Winter erst vorgerechnet, daß man mit guten Songs nie zu spät dran ist. Auch hier haben MySpace und die Blogs mitgeholfen, auch hier kann es kaum an der Band selbst gelegen haben. Was "The loon" nämlich an erster Stelle nahelegt? Daß Tapes 'N Tapes viel zu hibbelig sind, um mit einer Tastatur irgendetwas Vernünftiges anzustellen.

Man kann sich da Beweisstück für Beweisstück vorwärts arbeiten: Hinter dem Rücken der Akustischen von "The Iliad" passiert etwas, das sich anhört wie eine hochgetaktete Kuckucksuhr. Im überragenden "Insistor" werden die Gitarren mit einem dieser besonders groben Kämme, an denen schon mal was hängen bleibt, gegen den Strich gebügelt. Das fast instrumentale "Crazy eights" hört sich an, als hätten Tapes 'N Tapes es beim Pokern einer Garagenrock-Band abgetrotzt und dann zur Wartung bei Jim O'Rourke abgegeben. Der wiederum könnte dem Song ein bißchen was abgeschnitten und aus den Resten das verwandte "In Houston" gebastelt haben. Und weil hier gefälligst kein Stück aufhört, wie es angefangen hatte, mausert sich "Manitoba" auch noch von der liebreizenden Glöckchen-Tanztee-Nummer zum Tollwutkranken mit Schaum vorm Mut, immerhin. Einiges im Gange hier.

Aber was macht diese Musik mit uns? Sie ist in ihrer ganzen Verzwicktheit natürlich schon schräg und vielseitig genug, um sich an allen Ecken und Enden einhaken zu können. Sie hat aber auch ein richtiges, schwer pumpendes Herz, und man kann es beinahe hören, wenn "Omaha" der Platte mit zärtlicher Hand den kalten Alkoholikerschweiß von der Stirn wischt. Diese Männer schreiben vielleicht Lieder wie "Ten gallon ascots", die keiner Tretmiene aus dem Weg gehen. Sie versteigen sich ganz am Ende in der überkandidelten "Jakov's suite", vielleicht weil sie vom letzten Sperrmüllbeutezug ein Klavier mitgebracht haben. Und ihr Schlagzeuger klingt ziemlich konsequent die ganze Zeit über so, als würde er immernoch die Lieder seiner alten Band spielen. Aber all das passiert nicht ohne Grund. Es passiert, weil Tapes 'N Tapes es nicht besser gelernt haben. 1995.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Insistor
  • Manitoba
  • 10 gallon ascots
  • Omaha

Tracklist

  1. Just drums
  2. The Iliad
  3. Insistor
  4. Crazy eights
  5. In Houston
  6. Manitoba
  7. Cowbell
  8. Ten gallon ascots
  9. Omaha
  10. Buckle
  11. Jakov's suite
Gesamtspielzeit: 41:23 min

Im Forum kommentieren

modestmarc

2007-12-06 20:54:57

Finde das Abum noch immer toll und freue mich schon auf den Nachfolger der im naechsten Jahr veroeffentlicht werden soll.

Susu

2007-12-06 18:34:16

Fast ein Jahr später...immer noch ein richtig tolles Album!

Susu

2007-01-10 10:14:48

Irgendwie haben sich die Tapes ganz hinterfotzig eingeschlichen. Höre das Album total gerne, sowohl die flotten Kracher als auch die ruhigeren Stücke. Und nun will ich meeeeeeehr... wann kommt das nächste Album? ;-D

Susu

2007-01-04 14:53:03

"In Houston" ist wirklich ganz große Klasse...

Soup Dragon

2006-12-28 18:07:55

Kein ganz großer Wurf, aber auf jeden Fall eine der (Indie-)Platten des Jahres im insgesamt doch eher schwachen 2006.

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