Regina Spektor - Begin to hope
Sire / WarnerVÖ: 11.08.2006
Russendispo
Wahrer Soul, der aus den tiefsten Abgründen des menschlichen Inneren emporsteigt, findet sich heutzutage nur noch selten in Musikerkreisen. Um an die Großtaten der Souldiven zu gelangen, die mit ihren Stimmen und ihrem Öffnen der Seelen mehr Gewalten entfesseln können als so manch hartgesottener Drummer mit seinem erdigen Instrument, müssen schon die verstaubten, vielleicht noch nie betretenen Ecken eines Plattenladens abenteuerlich erkundschaftet und vom Unrat der Jahre befreit werden. Oder man wagt sich in manch schlechtsortierten Großkonzerntonträgermarkt, um dann im Abfertigungslager der Oldie-Ecke zu landen. Ein gewaltiger Sprung in die Gegenwart des Souls bedeutet Jaulen. Jaulen im Sinne von jungen Dingern, die nie gelernt haben aus dem Bauch heraus zu faszinieren und deren Seelen nie nach außen kehren werden, da sie nicht wissen, was sie da herausplärren und es meist sowieso gröbster Käse ist. Aber eines laßt euch gesagt sein, ihr Casting-Opportunisten und falschen Diven: Perfektion ist nicht alles. Seele wartet in der Brüchigkeit.
Versteckt in den sogenannten Independentkreisen aber findet sich immer und irgendwo eine Person, die die oben genannten Attribute doch noch in ihr Innenleben integriert hat. Regina Spektor erblickt 1980 das Licht der Welt in Moskau. Mit sechs Lenzen beginnt sie Klavier zu spielen. Genau zu dem Zeitpunkt als die Eltern beschließen mit ihr auszuwandern, in Richtung New York, Stadtteil Bronx. Ausgebildet in klassischer Musik, wurde auch ihr stimmliches Talent erkannt und eine Vielzahl von Freunden, Lehrern und Professoren flehten sie praktisch dazu an, ihre Stimme in die selbstgeschriebenen Kompositionen zu integrieren und aufzunehmen. Gesagt, getan. "11:11" war ihr selbstproduziertes und sehr jazziges Debüt, mit dem sie sich in New Yorker Kreisen eine nicht kleine Fangemeinde einspielen konnte. Es folgte 2002 das großartige "Songs" und vor zwei Jahren "Soviet kitsch", ihr Piano- und Cello-Meisterstück, das sie überregional bekannt machen sollte. Tourneen mit den Kings Of Leon und den Strokes machten ihr schließlich auch in Europa einen Namen.
Ihr großes Talent, ihr Sinn für phasenverschiebende und rückkoppelnde Experimente und die wunderbare Handhabung des Klavierspielens im klassischen Sinne, erbrachten ihr im letzten Jahr den Wechsel zum Weltkonzern Warner Music. "Begin to hope" merkt man diese Veränderung sofort an. War ihr bisheriger Output getragen von einer eleganten Verschleierung und Zurückhaltung, im Rahmen von stimmlichen Spielerein und melodischer Zersetzung, heißt es jetzt eine große Portion Extrovertiertheit und popmusikalischen Einfluß zu integrieren. Allein das Cover verrät uns, daß nicht mehr die zerstreute Songwriterin am Werke ist, sondern eine selbstbewußte Powerfrau ihr Werk im Medienzirkus verrichtet, die natürlich auch einen Hauch an Erotik vermitteln muß. Leblose Beats, fadenscheiniger Soul mit einem dünner gewordenen Stimmchen, Textzeilen von unsagbarer Oberflächlichkeit und krachende Gitarren aus der Konserve sind die Hauptaugenmerke. Die oberste Devise lautet: bunt und uneintütbar. Die Suche einem leitenden roten Faden sollte man gar nicht erst angehen. Vermißt wird er schmerzlich. Wo ist also ihr Tiefgang, ihre Stimme, ihre Seele, wo ist Regina Spektor? "20 years of snow" und "Lady" sind Ideen und Ansätze von ihrem wahren, einzigartigen Können, die ansonsten nur in Teilen und Stichproben ihre Erfüllung finden. Ist "Begin to hope" das Ende einer Hoffnung?
Highlights & Tracklist
Highlights
- 20 years of snow
- Lady
Tracklist
- Fidelity
- Better
- Samson
- On the radio
- Field below
- Hotel song
- Après moi
- 20 years of snow
- That time
- Edit
- Lady
- Summer in the city
Referenzen
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