The Delgados - The complete BBC Peel sessions

Chemikal Underground / Rough Trade
VÖ: 21.07.2006
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Chemisches Peeling

Es geht los, als gelte es etwas klarzustellen. Ein Scheppern, ein Krachen, ein Rappeln im Karton. Wo wurden solche Peel Sessions eigentlich aufgezeichnet? Auf der Straße vor dem Studio? Na ja, jedenfalls, die Klarstellung: The Delgados, die sind immer noch eine Rockband, okay? "Hate" wickelte seinen Zynismus vielleicht schon in Zuckerwatte ein, und auf "Universal audio" blieb dann nur noch die Zuckerwatte allein übrig. Aber vorher, da gab es ja auch schon Platten und EPs, von denen man diese Schotten gerne mal auf die harte Tour beigebracht bekam. Und genau in diesen Ecken der Delgados-Diskographie stürzt ihr Peel-Sessions-Komplettpaket zunächst einmal mit besonderer Freude ab. Als gelte es etwas klarzustellen.

Aber wir wissen es ja besser. Seit April 2005 stellen die Delgados gar nichts mehr klar, im April 2005 haben sie sich aufgelöst. Bassist Stewart Henderson sei nicht mehr damit klargekommen, daß seine Band niemals die Anerkennung erfuhr, die sie verdient gehabt hätte, erzählt man sich. Und weil sie das den Leuten gerne nochmal unter die Nase reiben wollten, haben die Delgados als letzte Amtshandlung die Rechte an all ihren Peel Sessions gekauft, bringen sie nun als bescheiden aufgemachtes Doppelalbum mit schönen Linernotes auf ihrem Chemikal-Underground-Label raus und stellen das ein für allemal klar: So schrecklich gut war diese Band. So vielseitig, verträumt, mürbe machend, wütend und verrückt. Zinedine Zidane hätte seinen Abgang auch nicht besser inszenieren können.

Siebenmal haben die Delgados beim einzigen richtigen Radiomoderator der Welt vorgespielt, und weil sich "The complete BBC Peel sessions" penibel an der chronologischen Abfolge dieser Zusammenkünfte entlanghangelt, wurde daraus nicht bloß eine schnöde Compilation, sondern die ganze Karriere der Delgados - in a nutshell. Ausgehend vom herrlich verstotterten Anfängerlärm des weichkernigen "Lazarwalker", über betriebsames Sonic-Youth-Stretching wie "Under canvas under wraps" - das erste Stück auf dem ersten Delgados-Album - bis zu "Sucrose", das seinem Getöse hintenrum erste schüchterne Melodien aufzwängte und ein paar Sachen vorwegnahm, die Jahre später auch den Strokes einfallen sollten. Eigentlich hätte man damals schon erkennen müssen, was aus dieser Band noch werden würde.

Ein Lied und eine Session weiter waren die Delgados dann nämlich auch elaborierte Arrangeure. Die weiterhin nörgelnden Gitarren im betroffen neben sich stehenden "Everything goes around the water" umzingelten sie mit Cello und Flöte, das beflügelte "The arcane model" wurde beinahe barock aufgeplustert, und die streicherselige Dramatik von "Pull the wires from the wall" mit Glockenspiel und Emma Pollocks Trotzkopf-Gesang besonders kalt abgeduscht - man hatte die Studiozeit bereits überzogen und konnte den genervten BBC-Produzenten nur noch einen Take abtrotzen. Es folgte die vierte Session, noch mehr Rock, eckig, biestig, episch, mit großem Herz. Und schließlich das düster-zerscratchte "Blackpool", das den Regen brachte. Aber CD1 ist eh durch, die kann man sich ja jetzt über den Kopf halten.

In ihrer fünften Peel Session, eingespielt zum Release des dritten Albums "The great Eastern", konnte man die Delgados dann übrigens so gut wie nie zuvor und nie mehr danach hören. Begleitet einmal mehr von zusätzlichen Kräften an Cello, Violine, Flöte und Klavier, nahmen sie vier verschwenderische, gefühlsduselige Popsongs auf, die wiederum einen Trend vorausahnten, den später zum Beispiel The Arcade Fire abfrühstücken sollten. Es folgten noch die "Hate"-Aufnahmen, diesmal keine Albumtracks, sondern dubiose Covers, zum Beispiel von den Dead Kennedys oder einer jamaikanischen A-Capella-Gruppe. Und zum Abschluß eine klassische, nostalgisch verwehte Session, wenige Monate vor Peels Tod. Vier Songs von der letzten Platte - das war die mit der Zuckerwatte - vornehmlich akustisch, vortrefflich wundervoll. Mehr gibt es da ja gar nicht zu sagen. Die Delgados sind Geschichte, jetzt schon.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Sucrose
  • Everything goes around the water
  • Pull the wires from the wall
  • Don't stop
  • No danger
  • Accused of stealing
  • Aye today

Tracklist

  • CD 1
    1. Lazarwalker
    2. Blackwell
    3. I've only just started to breathe
    4. Primary alternative
    5. Under canvas under wraps
    6. 4th channel
    7. Teen elf
    8. Sucrose
    9. Everything goes around the water
    10. The arcane model
    11. Pull the wires from the wall
    12. Mauron chanson
    13. Repeat failure
    14. Don't stop
    15. Blackpool
    16. The weaker argument defeats the stronger
  • CD 2
    1. No danger
    2. Make your move
    3. Accused of stealing
    4. Aye today
    5. Mr Blue Sky
    6. California uber alles
    7. Matthew & son
    8. Last rose of summer
    9. Parcel of rogues
    10. I fought the angels
    11. Ballad of accounting
    12. Is this all that I came for?
    13. Everybody come down
Gesamtspielzeit: 106:44 min

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