Espers - Espers II

Drag City / Wichita / Cooperative / Rough Trade
VÖ: 28.07.2006
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Hexenkessel

Zu den eher ungeilen Wortkreationen der letzten Jahre gehören natürlich nicht nur "sexeln", "ludern" und alles, was sich Deutschlands einzige richtige Tageszeitung sonst noch so ausdenkt. Nein, man muß da sicherlich auch Sachen wie "Prog-Folk" bedenken. Selbst wenn es allein schon wehtut, sich die Protagonisten einer solchen Musikspielart vorzustellen. Sind das dann oberschlaue Besserwisser und benebelte Hippies noch dazu? Muß man sich vor dreihälsigen Akustikgitarren und halbstündigen Mundharmonikasoli fürchten? Zumindest nicht bei Espers, sechs Haarknäueln mit Mensch dran aus Philadelphia. Das Jenseitige, Mysteriöse und Unbegreifliche ihres Debütalbums "Espers" wurde auch auf "Espers II" rübergerettet. Jegliche Schwachbrüstigkeit haben sie sich aber abgewöhnt. Mit dem Prog-Folk ist es eben auch nicht anders als beim sexeln. Letztlich zählt nur, wie man es macht.

Und Espers machen es vor allem mit gesteigertem Kraftaufwand. Weniger wird diesmal angedeutet, mehr passiert wirklich in ihren Stücken, die nicht nur zwischen 5:17 und 8:54 lang sind, sondern auch etwas anzufangen wissen mit ihren mächtigen Ausmaßen. Das Cello spielt meist den Teaser, buddelt sich ein unter den Songs und schreckt irgendwann zurück vor Greg Weeks' E-Gitarre, die unvermittelt Feuer fängt. Weeks ist so was wie der Chef bei Espers, macht diesmal aber viel Platz für die Vocals von Meg Baird, dem Goldkehlchen der Band. Wenn sie Rapunzel wäre, würde man an ihrem Zopf hochklettern. Es reicht fürs erste aber auch, daß diese neben sich stehende Frau mit ihrer hypnotischen Sirenenstimme noch das schönste Kinderbuch zur Schauergeschichte umdichten würde. Was hier geht? Hat schon was von Hexensabbat.

Aber man braucht kein umgedrehtes Kreuz um den Hals, um sich dabei sicher zu fühlen. Es reichen schon ordentlich Sitzfleisch und starke Nerven für ein unheiliges Gefummel wie "Widow's weed", das sich am Ende höchstselbst in seine Einzelteile zerlegt. "Dead queen" ist auch eines dieser Dinger, bei dem Streicher, Holzbläser und Schellenkranz irgendwann von elektrisch gedopten Instrumenten überholt werden, ohne sich jemals abschütteln zu lassen. Und wenn man schon von einer überraschend kräftigen Platte sprechen möchte, verschwindet "Espers II" doch wieder in einem beruhigten Mittelteil, der kühl bleibt und mit Harmlosigkeit kokettiert. Diesmal werden wir aber noch voneinander hören.

"Dead king" ist schließlich das Stück, das die zugehörigen Anführungszeichen zum drängelnden Auftakt der Platte setzt. Was mit quirliger Flöte losgeht wie ein Familienabend unterm Weihnachtsbaum, wird schon bald zum Ausschwärmen der Kriech- und Krabbeltiere, die sich in dieser Musik eingenistet haben. Der entscheidende Ausbruch muß längst nur noch vorgetäuscht werden, das finale Nervenzehren von "Moon occults the sun" treibt einem auch ohne fremde Hilfe noch die letzen Geister aus. Prog-Folk ist das und ziemlich gut darin. Aber vielleicht hätte Death Folk sogar noch ein bißchen besser gepaßt.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Widow's weed
  • Dead king

Tracklist

  1. Dead queen
  2. Widow's weed
  3. Cruel storm
  4. Children of stone
  5. Mansfield and cyclops
  6. Dead king
  7. Moon occults the sun
Gesamtspielzeit: 50:00 min

Im Forum kommentieren

Khanatist

2006-11-07 02:40:41

Mein peinliches Teenage-ASCII-Herz wird gar nicht angezeigt. Hrmpf

Khanatist

2006-11-07 02:35:27

"Tomorrow"!

Armin

2006-10-09 22:24:10

Espers
With Bardo Pond
01.12.2006 Berlin, Festsaal Kreuzberg

Konsum

2006-10-05 18:47:10

Mmmh, preise doch nochmal. Was machen die so? Sollte ich mir das womöglich anhören?

Khanatist

2006-10-05 18:44:16

Tz. Da preist man schon die Red-Sparowes-CD als eine der besten des Jahres ..

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