Mia. - Zirkus

ROT / Columbia / Sony BMG
VÖ: 21.07.2006
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Freie Liebe

"Menschen, Liebe, Sensationen". Das ist ein Versprechen. Man bekommt es zu lesen, wenn man den Silberling aus dem schneeweiß hinterlegten Tray nimmt und sich an das neue Mia.-Album "Zirkus" herantastet. Die Dompteurin heißt Mieze und hat alle Kollegen abbestellt. Der Feuerschlucker gurgelt heute höchstens mit Himbeerbrand, aber nicht mit Flammen. Der Clown darf heute im stillen Kämmerlein selbst über seine Witze lachen. Und das übergroße Pferdekostüm, in das zwei Menschen passen, die grundsätzlich in verschiedene Richtungen rennen müssen, bleibt auch im Schrank. Die große Show fällt aus, die Sensationen passieren im Kleinen, rund um Menschen und Liebe. Mia. trommeln nicht länger, sie erzählen.

Elektro ist passé, NDW sowieso, Punk auch. Und auch der Aktionismus von "Stille Post" und das ganze Gedöns vom positiven Patriotismus scheinen auf dem dritten Mia.-Album plötzlich unglaublich weit weg. "Zirkus" ist über weite Strecken purer Pop, teils nahe an anderen Protagonisten wie Wir Sind Helden, aber nicht zuletzt dank Mieze stets unverkennbar und individuell. Nur "Floss" (konsequenterweise sowohl nach alter, als auch nach neuer Rechtschreibung falsch geschrieben) versucht den Ausbruch und sinkt gnadenlos. Gegen das, was Mieze hier mit ihren Stimmbändern macht, ist selbst Nina Hagen noch eine Ohrenschmeichlerin sondergleichen. Man sollte Muttis Meißner Porzellan besser rechtzeitig evakuieren, bevor es bricht - oder den Song dauerskippen. Der einzige englischsprachige Beitrag "2 pieces" wäre vielleicht auch toll, wenn Mieze diese Sprache auch nur ansatzweise beherrschen würde und sich nicht durch die fünf Minuten kämpfen müßte wie ein Glatzkopf durch eine Antifa-Demo.

Reden wir über die angenehmeren Dinge auf "Zirkus", von denen es nicht wenige gibt: Man kann erstaunlicherweise sehr wohl einen Song "Engel" nennen und den Refrain mit "Wenn ich ein Engel wär" beginnen, ohne daß es in die Binsen geht. Alleine schon, wie Mieze in diesen Song hineinprescht, ist erfrischend wie ein Eimer Eiswasser: "Was gäb ich für Küsse wie kalte Kirschen, Zeit wie Sand am Meer? / Was gäb ich her, wenn jeder Tag wie der erste des Sommers wär?" Spätestens dann ist Pop kein Schimpfwort mehr. Das gilt auch fürs ähnlich bunt gestaltete "Uhlala", für die wunderhübsche Zeitlupe "Odernichtoderdoch". Und für "Tanz der Moleküle" sowieso, die vielleicht beste Mia.-Single ever. Für die Albumversion wurde das Stück nicht nur auf fast sechs Minuten gestreckt, sondern auch leicht umarrangiert, wodurch es weiter hinzugewinnt.

Schade, daß Mia. den Sprung zur Album-Band trotzdem noch nicht ganz geschafft haben. Auf "Zirkus" steckt zwar vieles, für das alle Hasser die Band nicht weiter hassen würden. Aber auch vieles, für das die Liebenden die Band nicht unbedingt lieben. Es ist schwierig, an "Zirkus" zu mäkeln, aber ähnlich schwierig, es im ganzen zu schätzen. Eine Handvoll Songs schreien lauthals nach 7-Inch-Vinyl, 5-Inch-Maxi-CD oder Neunundneunzig-Cent-Download, wie das neudeutsch ja heißt. Und Mieze schreit um Aufmerksamkeit - nur inzwischen weit weniger ohrenbetäubend. Daß sie nämlich gesanglich unheimliche Fortschritte gemacht hat, inzwischen ergreifend schmachten oder leichtfüßig stolzieren kann und lediglich auf besagtem "Floss" alle Geschmacksgrenzen sprengt, ist eine weitere angenehme Randnotiz. Das einstige Biest hat sich zur angenehmen Person weiterentwickelt, die man gern in sein Innerstes hineinläßt mit einem Netz voller herausflatternder Schmetterlinge. Mein Herz tanzt. Und jedes Molekül bewegt sich.

(Armin Linder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Tanz der Moleküle
  • Engel

Tracklist

  1. Intro
  2. Uhlala
  3. Tanz der Moleküle
  4. Zirkus
  5. Floss
  6. Odernichtoderdoch
  7. Je dis aime Ich sag Liebe feat. -M-
  8. Engel
  9. Dann war das wohl Liebe
  10. S.O.S.
  11. 2 pieces
  12. Was Besonderes
Gesamtspielzeit: 52:32 min

Im Forum kommentieren

Lyxen

2007-08-28 12:29:36

Auch das ;)

--

2007-08-28 12:23:50

wir brauchen alle was zu lachen

Lyxen

2007-08-28 12:18:49

Information (09.07.2007 - 10:24 Uhr):
MIA ist übel.


Jep

ggg

2007-08-28 12:02:14

mir hat "alles muss wie neue sein" von MIA am bestengefallen

Patte

2007-08-23 15:02:55

"Engel" ist geil.

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