Lily Allen - Alright, still...
Parlophone / EMIVÖ: 14.07.2006
Prinzessin auf der Erbse
Es gibt Dinge, die sich einen Teufel darum scheren, ob man sie ertragen kann oder nicht. Die Landung einer Kokosnuß auf dem behaarten Kopf, kurz vor einer Welttournee etwa. Der Regenschauer während des langersehnten Grillfests ist ebenfalls zu nichts nütze. Und auch dem Kabarettisten Bernhard Hoecker kann man keine verwertbare Eigenschaft zuweisen. Das Leben kann Geschichten schreiben, die niemand hören will. Kaum haben wir uns über diesen Sachverhalt echauffiert, müssen wir einen Blick nach Großbritannien riskieren. Dem Mutterland des Echauffierens, Aufplusterns und Katze-im-Sack-Verkaufens. Denn dort wird eine Dame gefeiert, die Geschichten erzählt, von allem, was niemanden interessiert und die vor allem morgen wieder vergessen sind. Aber wem sagen wir das? Es hört ja doch keiner zu.
Die Erfolgsgeschichte ist altbekannt und altbewährt. Man betrachte sich die Bandgeschichte der Arctic Monkeys in ihrem erstaunlichen Umfang, ersetze den Namen der Band durch Lily Allen und füge eine schwere Kindheit hinzu. Das Paket ist geschnürt, fertig gepackt und für die Betreiber des Myspace-Imperiums für solide Werbeeinnahmen brauchbar. Lily Allen ist der derzeit heiße Scheiß des Web 2.0. Von Geburt an zickig, behangen mit dicken Klunkern, ausgestattet mit einer großen Klappe und der Lizenz zum Stibitzen. So liegen der jungen Britin derzeit die smoothesten Surfer, die weltoffensten Indiepopper und die smartesten HipHoper zu Füßen. Ein ganz großer Kompromiß zwischen all den aufgekeimten musikalischen Differenzen. Wo bleibt da die Überraschung über eine Chartplazierung an der Spitze der englischen Charts?
Bleibt nur noch die Frage nach den transportierten Lockmitteln. Die Analyse fällt ein wenig enttäuschend aus. Schnittige Melodien treffen auf gefällige musikalische Verarbeitung. Man nehme das plastische "Everything's just wonderful", das mit seinem sommerlichen Cabriofeeling die Sugababes heraufbeschwört. Auch das zuckersüße "Not big" wippt kurz durch den Körper und verschwindet dann auf Nimmerwiedersehen im Popallerlei. Das Konzept von "Alright, still..." ist schnell erkannt und schnell ermüdend. Beschwingt und munter zieht der Kaugummipop zwischen Nelly Furtado, den Sugababes und Gwen Stefani im Rahmen seiner durchaus begrenzten Möglichkeiten die Reißleine der Professionalität.
Ohrwurmgefahr auf halb acht, Tanzvorlage im Sauseschritt und Mitsingmöglichkeiten am laufenden Band. "Smile" ist ein lupenreiner Hit, der manisch zappelnd in die menschlichen Organe groovt und wie ein Flummi von Ohrwurm zu Ohrwurm springt. "Knock 'em out" ist nichts weniger als eine tragische Kopie der The-Streets-Songwriterkünste und stößt durchaus bitter auf. "Take what you take" brilliert mit treibendem Rhythmus und gefühlten 40° Celsius. Der abschließende Track "Alfie" ist eine dreiste Polka, für welche sicherlich bald ein von der Bravo entworfener Gruppentanz sämtliche Großraumdiscos bevölkern wird. Wer bei soviel gebündeltem Schmonz nicht beschwummelt wird, kann die Erbse genüßlich verspeisen. Allen andern bleibt sie wohl im Hals kleben.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Smile
- Take what you take
- Alfie
Tracklist
- Smile
- Knock 'em out
- LDN
- Everything's just wonderful
- Not big
- Friday night
- Shame for you
- Littlest things
- Take what you take
- Friend of mine
- Alfie
Referenzen
Spotify
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Forum
- Lily Allen - Alright, still (49 Beiträge / Letzter am 26.10.2024 - 01:45 Uhr)
- Lily Allen - No shame (22 Beiträge / Letzter am 05.07.2020 - 11:57 Uhr)
- Lily Allen - Sheezus (165 Beiträge / Letzter am 27.10.2016 - 17:02 Uhr)
- Lily Allen - It's not me, it's you (84 Beiträge / Letzter am 20.11.2013 - 12:26 Uhr)