Daniel Cirera - Honestly - I love you *cough*

Capitol / EMI
VÖ: 21.07.2006
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Piep, piep, piep

"You're a bitch-talking motherfucker / You're the worst cock-sucker / Swore that you were true to me / Yeah, in my dreams, in my dreams." So hört sich das also an, wenn ein graduierter Wirtschaftsjurist von seiner Freundin erst betrogen und dann wie ein löchriger Leierbündchenpullover ausrangiert wird. Kann halt schonmal vorkommen, daß man sich nach einem derart fiesen Beziehungsdolchstoß in explizite Lyrik flüchtet und nebenbei als therapeutische Maßnahme den amerikanischen Kontinent bereist. Weil der erinnerungsbehaftete spanische Zweitwohnsitz für einen Gehörnten auch eher rotes Tuch als adäquate Wir-Kampfarena ist. Daniel Cirera jedenfalls verpaßte während einer kathartischen Akustikgitarrensession in Guatemala seiner Schmerzensdame den Titel "Fake vegetarian ex-girlfriend". Und flötet das auch noch so relaxt, als handele es sich um eins von Jack Johnsons sonnigen Flip-Flop-Singalongs.

Es sollte ja eigentlich bloß ein reines Privatvergnügen werden, als Cirera mit seinen WG-Kumpels ein wenig im Kellerstudio herumlümmelte und sein Reisetagebuch vertonte, das auch besagter Ex gleichzeitig einige unverblümte Ansichtskarten schickte. Unfrankiert natürlich. Plötzlich landete die CD, auf die der 26jährige niedlich ironisch "Honestly - I love you *cough*" gekritzelt hatte, jedoch in unüberschaubar vielen Brennern und schließlich beim New Yorker HipHop-Label Tommy Boy - das den Sohn einer Schwedin und eines Spaniers überraschenderweise sofort unter Vertrag nahm.

"It all starts today / I'm gonna head my way / Roadtrippin' through the US of A": an sich eine hübsche Idee. Vor allem, wenn man den idyllischen Umstand bedenkt, daß Cirera diese Zeilen beim Wassersporteln in San Diego zugeflogen sind. Allerdings surft "Roadtrippin'" hemmungslos auf der Welle der gleichnamigen Red-Hot-Chili-Peppers-Schote - diese Tatsache kann auch ein mediterran hüftenschwingendes Bläserarrangement nicht vertuschen. Die Blow-Job-Story "She rules the school" setzt hingegen auf einen exorbitant plumpen Beischlaf-Beat, der bislang höchstens aus dem Spind der Bloodhound Gang schallte ("It's a different kind of life / 'Cause we are fucking all the time"). "Sorry sorry sorry" erweist sich als rührend bemühter Verzeihungsflorist und bindet eifrig Mut zum Klischee zwischen Rosen und Schleierkraut: "You are the most beautiful thing in this world." Kann das gut gehen? Es kann. Aber es ist knapp.

Und dann zeitreist Cirera ins Jahr "1992", plaudert zu Old-School-HipHop (der ungefähr das ist, was sich die New Kids On The Block darunter vorstellten) über erste amouröse Abenteuer und namedroppt fröhlich alles von Madonna bis Nirvana. "Why?" überreizt anschließend die Narrenfreiheit des Betrogenen und dichtet zu Durchschnittsakustikpop "So I masturbate to the pictures in my head / Memories from Spain / When you were beautiful and naked." Dann doch lieber eine unkomplizierte Männerfreundschaft preisen ("Castle of sand") oder im sanften Country-Galopp die Vorzüge eines Hundes besingen ("Dog"). Und lieber nicht "Anarchy in the UK" in einer strandspaziergangkompatiblen Tranquilizer-Version covern. "All of this" liefert abschließend den Beipackzettel zu Daniel Cirera: Die ganzen Piep-Wörter weglassen? Niemals. "Please don't let them turn me into something else / Than the pathetic little shit that I am / All of this for a hit." Bei "Motherfucker - fake vegetarian ex-girlfriend" hat das mit dem Hitpotenzial trotzdem hervorragend geklappt. Der Rest muß dann aber doch nochmal da hin, wo Gehörnte eben hingehören: auf die Weide.

(Ina Simone Mautz)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Motherfucker - fake vegetarian ex-girlfriend

Tracklist

  1. Motherfucker - fake vegetarian ex-girlfriend
  2. Roadtrippin
  3. She rules the school
  4. Sorry sorry sorry
  5. 1992
  6. Why?
  7. Castle of sand
  8. Dog
  9. Anarchy in the UK
  10. 24
  11. All of this
Gesamtspielzeit: 43:17 min

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