Thom Yorke - The eraser
XL / Beggars / Rough TradeVÖ: 07.07.2006
HobbyTics
Das Rauschen im Blätterwald ist auch nicht mehr das, was es mal war. Längst kursieren Hypes und Gerüchte in ihrer digitalisierten Form. In Blogs, in Communities, in Peer-To-Peer-Netzwerken. Ein neues Radiohead-Album sollte es geben. Sänger Thom Yorke hatte schließlich von neuen Songs geredet, und eine Tour war auch schon im Anmarsch. Doch plötzlich gab es ein Fragezeichen. Ein Soloalbum? Der Sänger auf elektronischen Abwegen? Das Ende des Bandkonzepts als solches? Viele, viele Fragen. Die absonderlichste: Radiert "The eraser" die Existenz von Radiohead einfach aus?
Im Gegenteil: Yorke wurde von seinen Kollegen sogar quasi dazu gedrängt, endlich mal so ein Ding zu machen. Damit er in der Zeit nach der letzten Großtat "Hail to the thief" nicht kirrer wird als ohnehin schon. Also her mit dem Sampler und der Audiobearbeitungssoftware. Von vorne weg demonstriert Yorke seine Vorliebe fürs Britzeln und Brutzeln. "So I give in to the rhythm / The click click clack." Die Chips knattern beizeiten wie angestochen durcheinander, und aus irgendwelchen Ecken flattern naturidentische Harmonien vorbei. Ein-Ton-Melodien, Knisterrhythmen, Mausschieberbreaks. Wie ein Tanz in der Leerrille von "Kid A". Natürlich denkt man immer wieder an das schockgefrostete Meisterstück mit seiner abweisenden Klangästhetik, und schon allein wegen Yorkes Kopfstimmenpensum klingt "The eraser" wie das weltentrückte Elektronikalbum, welches man Radiohead seit Jahren ständig in die Schuhe schieben will.
Und doch bemerkt man hier um so deutlicher, wie dieser Eindruck trügt: Statt flickernder Experimente steht doch immer der Song im Mittelpunkt. Yorkes Stimme ist viel direkter, klarer, lebendiger. Weil Nigel Godrich sich ausdrücklich weigerte, wieder seinen bekannten Milchglasfilter über Yorkes Gesang zu legen, bekommt die Metapherjonglage ein überraschend menschliches Antlitz: "Time is running out for us / But you just move the hands upon the clock / You throw coins in a wishing well / For us." Und je mehr Yorkes Alleingang ähnliche Koordinaten erreicht, desto mehr unterstreicht das divergierende Ziel das Wesen dieser Band, die ihren Sänger sonst auf den Boden der Tatsachen stellt.
Yorke hat den Rest echter Instrumente so lange behandelt, bis sie fast künstlicher klingen als die eckigen Beats. Eine im Minimalloop gefangene Gitarrensaite verschwimmt im Murmelgeklicker von "The clock". Ein paar mit Diktiergerät festgehaltene Klavierakkorde von Jonny Greenwood sind das fiebernde Herz des sinistren Titelstücks. Auch in das 8-bittige Zwitschern des abschließenden "Cymbal rush" mogelt sich so ein herrliches Klavierseufzen. Obwohl "And it rained all night" auf Fragmenten des auch schon roboterhaften Radiohead-Tracks "The gloaming" beruht, bilden handgeklopfte Drumsticks und ein singender Baßlauf den Kern des polyrhythmischen Durcheinanders. Und im schwebenden Schaltkreisfunk von "Harrowdown Hill" tun dann Baß und Gitarre doch wieder so, als wäre Thom Yorke eine Band. Ist er natürlich nicht. Aber "The eraser" zeigt nachdrücklich, was man an beiden hat: an diesem seltsamen Sänger und an seiner Truppe.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The eraser
- Analyse
- Black swan
- Harrowdown Hill
Tracklist
- The eraser
- Analyse
- The clock
- Black swan
- Skip divided
- Atoms for peace
- And it rained all night
- Harrowdown Hill
- Cymbal rush
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Affengitarre
2024-01-11 09:53:51
Auf den Soundtracks zu den Filmen gibt es eh ziemlich gute Songs. "Let's get lost" von Beck und Bat for Lashes ist auch echt toll.
Affengitarre
2024-01-11 09:44:25
Wirklich schöner Track, obwohl die "Eraser" auch nicht wirklich was für mich ist.
The MACHINA of God
2024-01-11 09:40:10
Boah, ist der Song gut. Zum Glück hast du den noch entdeckt, Felix. :D
kingsuede
2024-01-10 22:21:17
The Eraser ist knapp vor A Light For Attracting Attention.
The MACHINA of God
2024-01-10 21:41:59
Wow danke. Gibt mir instantly mehr als die komplette "Eraser'".
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