The Love Substitutes - More songs about hangovers and sailors

Heaven Hotel / Cargo
VÖ: 12.05.2006
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Best case scenario

The Love Substitutes haben auf ihre Eltern gehört. Diese Verwandten ersten Grades heißen dEUS und sind bereits seit Mitte der Neunziger der wahrscheinlich heißeste Musikexport aus Belgien. Weil deren Frontmann Tom Barmann ein ziemlicher Hitzkopf ist, gibt es aber immer mal wieder Familienzwist, und mit feiner Regelmäßigkeit lösten sich in der Vergangenheit Musiker aus der Familie. Rudy Trouvé (Gitarre) war 1995 der Erste, der flügge wurde. Knapp ein Jahrzehnt nach dem Verlassen von dEUS brachte er 2004 das erste Album unter dem Namen The Love Substitutes raus. Es hieß "Meet The Love Substitutes while the house is on fire". Mit im Boot: Mauro Pawlowski, der seit dem jüngsten Album "Pocket revolution" bei dEUS spielt, sowie dessen dortigen Vorgänger Craig Ward und Baßzupfer Bert Lenaerts.

Die Love Substitutes sind auch auf ihrem zweiten Album "More songs about hangovers and sailors" Liebesersatz für all jene Musikfreunde, die sich den Sound der frühen dEUS-Alben zu Herzen gehen ließen. Es ist das erste dEUS-Album "Worst case scenario", an das die 20 (!) Songs dieses Albums verdammt erinnern: ein vertrackt avantgardistischer Stilmix aus Jazz, schmierigem Rock und folkigen Momentaufnahmen. Dieses Album ist obendrein mit allerlei Ingredienzien gespickt, die Musik aus Belgien so hörenswert machen. Die da wären ...

1. Melodie: Viele der Stücke auf diesem Album glänzen durch eine wunderschöne Tonführung. "Dressed for the sea" als zweiter Track brilliert als unaufdringlicher kleiner Folksong. Akustische Gitarren erschallen auch in "Novelty size", einem erregt freudigen Country-Song. Die Technik, geradezu gelangweilt zu changieren zwischen Gesang und Sprechen, beherrscht das Quartett aus Antwerpen und Umgebung par excellence. "You seem to have forgotten who I am" wiederum klingt nicht nur im Titel schon wie ein dEUS-Song, auch die Melodie läßt uns kurz denken an all die Sister dews oder Hotellounges dieser Welt. Und ganz hinten versteckt sich das formidable "November 1977", bei dem lediglich die Gesangsspur noch zur kompletten Schönheit fehlt..

2. Versponnenheit: Viele Songs auf diesem Album wirken fast waghalsig. Die Herren trauen sich was. Man höre zum Beweis "Hate The Love Substitutes". Wer jetzt nicht an dEUS denkt, der hat dEUS noch nicht gehört. Die Geige wird bei diesem Song ersetzt durch eine in Zahnarztbohrerstärke quietschende Gitarre. Dazu nuschelt Rudy Trouvé wie vor zehn Jahren vor sich hin. Oder man höre "Give the people what they want". Hier fließt die musikalische Kreativität nur so aus den Boxen. Stichwort Versponnenheit: Vor dem Hören das Kleingedruckte lesen! Denn alle Titel, die im Booklet kleiner abgedruckt sind, sind einfach vertrackte Intermezzi von nur wenigen Sekunden Länge.

3. Rock: Es gibt etliche Stellen auf diesem Album, wo The Love Substitutes geradezu gänzlich geradeaus rocken. "The sad mathrocker" etwa, das weit mehr ist als musikalische Milchmädchenrechnung. Guter Rock ist auch "Bangladesh fashions" mit einem so stupid gespielten Gitarrenriff, daß es fast eine Dreistigkeit ist. Und "Madonna footage" vereint auf Dauer so viele Instrumente, daß die Musik wie ein instrumentaler Orkan daher kommt. Gleiche Gefühlsregungen vermittelt auch "Someone like you". Wir werden kurz daran erinnert, wie verwandt dEUS (und natürlich auch die Love Substitutes) mit den Pixies sind.

Kurzum: So viele Tränen auch immer fließen, wenn Menschen und Bands sich verändern. Solche Trennungen haben auch immer ein Gutes. Denn stets wohnt jedem Abschied auch der Zauber des Neubeginns inne. Im Falle der Trennung von dEUS und Rudy Trouvé ist aus einem früheren Worst Case ein Album geworden, das in vielen Fällen das Prädikat "Bestfall" verdient. Wenn auch nicht in allen. Aber dafür gibt es ja immer noch dEUS.

(Sebastian Peters)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Dressed for the sea
  • Hate the Love Substitutes
  • November 1977

Tracklist

  1. Attus citaouga ortni
  2. dressed for the sea
  3. Sleep is for the children
  4. The sad mathrocker
  5. Hate The Love Substitutes
  6. Abstractions on glass
  7. Bangladesh fashions
  8. Another bit
  9. Novelty size
  10. The tour manager
  11. Madonna footage
  12. You seem to have forgotten who I am
  13. Someone like you
  14. The beaver builds the dam
  15. Not even mutiny
  16. A modern band needs its sleep
  17. November 1977
  18. The velvet sailor (Slight return)
  19. Give people what they want
  20. Attus alagnam aks.
Gesamtspielzeit: 58:00 min

Im Forum kommentieren

vheissu1

2008-02-05 11:38:52

Muss man mal wieder betonen, dass das eine wirklich gelungene Platte ist. Gibt es von denen mal was neues?

stativision

2007-01-24 17:42:21

hab das album endlich nach einer halben ewigkeit endlich mal was günstiger gefunden.

ist schön, erstaunlich folkig und klingt irgendwie ganz anders als die rezension vermuten lässt. zumindest so gut wie nie wirklich nach dEUS. eher nach allen anderen Antwerpen bands: Wie eine Mischung aus Rudy Trouve solo/sextet, mauro solo, mitsoobishy jacson und natürlich gore slut. die folkigen songs klingen sehr nach nick drake - wohl einer der helden von craig ward?

sonic

2006-07-05 11:34:14

das erste album von denen ist super. hätte beinahe das hier verschwitzt. lange drauf gewartet und als es dan raus war, vergessen. danke plattentests :-D

rudy trouve ist einer der gitarrenhelden der 90er.
nicht weil er so toll spielen kann. das würde ich jetzt nicht mal behaupten. aber er klingt.

man, ich werde alt. ach was, ich bin es. wie alt bin ich eigentlich? hier ist weder ort noch zeit darauf einzugehen.

shrink

2006-06-29 01:54:54

und lohnt sich das Album jetzt oder nicht?
Wollte eigentlich gerade bestellen...

stativision

2006-06-29 00:37:48

eine der schwachsinnigsten referenzen, die ich jemals hier entdeckt habe: vive la fete.

der ewige dEUS-Vergleich nervt natürlich auch, gerade weil die Love Substitutes doch sehr selten so zugänglich sind wie erstere. dafür hört man der cd an, dass kommerzielle hintergedanken während der aufnahme wirklich gänzlich abwesend waren.

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