Archive - Lights

Warner
VÖ: 26.05.2006
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Dämmerung

Die Wurzeln im TripHop, den Kopf in den Wolken. Archive sind in der modernen Popwelt so etwas wie die Erinnerung an die Zeiten der Opulenz, an die Tage des freien Rausches, an das Streben nach totaler Überwältigung. Episch und ausufernd, gewagt und gewaltig: Archive verstehen sich darauf pure Präsenz aufzubauen, Räume zu füllen und in die Unendlichkeit auszudehnen. Musik für Junkies und solche, die es werden wollen. In Zeiten der schmutzig schrammelnden Gitarren, der klaren Beats und des minimalitischen Gepluckers wirken Archive so wuchtig, daß man sich sorgt, ob die Musik noch durch die Boxen paßt. Ein Dinosaurier vielleicht, aber trotzdem gut für die Tanzfläche.

"Lights" ist ein Neuanfang, wenn auch einer, der nicht unbedingt gewollt war. Craig Walker, der die beiden letzten Alben mit seinem Gesang geprägt hatte, verließ die Band. Nach den Großtaten "You all look the same to me" und "Noise" schien es gerade so, als hätten Archive einen Klangkosmos gefunden, der nun in aller Perfektion durchmessen werden konnte. Doch eben diese schlafwandlerische Sicherheit hatte ihre Risiken: Das "Unplugged"-Album deutete bwereits an, daß man schnell mehr schläft als wandelt. Und so kann man den der Ausstieg nicht nur als Verlust werten, sondern muß ihn auch als Chance begreifen. Danny Griffith und Darius Keeler waren zurückgeworfen auf ihre Soundteppiche. Sie mußten sich aus diesen wieder hochrappeln, konnten sich aber auf die Suche nach genau der Stimme machen, die in der Lage war, Richtung und Stärke auszustrahlen. Um so dem Bandgefüge eine neue Mitte zu geben.

Am neuen Sänger Pollard Berrier hat es jedenfalls nicht gelegen, dass "Lights" an "Noise" zwar anknüpfen, nicht aber es überflügeln kann. Auch Berrier erweist sich in der Lage, mit sirenenartigem Gesang zugleich drückend und ziehend zu wirken. Auch die Theatralik ist geblieben: Archive erzwingen die großen Momente, ohne daß ihnen ihr Pathos dabei das Genick bricht. Der Spannungsbogen hält; die Songs nehmen gefangen, selbst wenn man sich nur kurz in ihre Nähe wagt.

Das Problem ist vielmehr eines der Relationen: Das neugeformte Trio war allseitig bemüht, die Veränderung auch in der Musik zu fassen. In allen Songs und mehr noch zwischen ihnen sollte zum Ausdruck kommen, daß man mehr kann als nur Hymnen schreiben, daß man nicht nur klotzt, sondern auch kreiert. An die Stelle kompakter Düsternis und ineinandergeschobener Bildwelten trat so ein luftiges Werk, dessen kleine Epen in sich abgeschlossen sind und die in der Mitte des Albums durch den 18-Minuten-Hammer "Lights" gespiegelt werden. Man wechselt zwischen Schwere und Schweben, zwischen Himmelhoch und Seelentief. Auf Ebene der einzelnen Songs funktioniert dies auch ganz wunderbar, doch in den Zwischenräumen befinden sich Trittfallen. Vor allem die ersten Hördurchgänge sind nicht von jener Evidenz geprägt, welche die Musik von Archive eigentlich auszeichnet. Und so freundet man sich mit dem Album zwar an, doch der Moment ist verschenkt, in dem die Lichter aufstrahlen könnten. Und in dem die Uhr in jene Zeit zurückgedreht werden könnte, als Größe noch Größe bedeutete und Dramatik in ihrer ganzen Wucht zum Ausdruck kommen durfte.

(Thorsten Thiel)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Programmed
  • Lights
  • Taste of blood

Tracklist

  1. Sane
  2. Sit back down
  3. Veins
  4. System
  5. Fold
  6. Lights
  7. I will fade
  8. Headlights
  9. Programmed
  10. Black
  11. Taste of blood
Gesamtspielzeit: 62:08 min

Im Forum kommentieren

The MACHINA of God

2022-05-14 20:05:50

Hat mit dem Titeltrack, "Veins" und irgendwie auch "Programmed" drei dicke Highlights, sonst viel gutes, aber gesamt schon schwächer als die beiden Vorgänger und auch der Nachfolger.

You say

2012-09-22 12:06:51

Ach so, jetzt kapier ichs erst.

You say

2012-09-22 12:06:17

Äh.. "Fold" ist auf der "Lights".

XTRMNTR

2012-09-22 10:58:27

Überrascht mich etwas wie schlecht die wegkommt. "Fold" dürfte so ziemlich das schönste sein was ich in diese Jahr gehört habe.

Armin

2007-06-21 20:34:49

ARCHIVE - Live At The Zenith
CD, VÖ 29.06.2007
Zwischen TripHop und progressivem Rock, Elektronik und akustischem Songwriting haben ARCHIVE es geschafft, ein eigenes musikalisches Universum zu kreieren, das seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten gehorcht. In der Zone zwischen dem Hell und dem Dunkel, voller Melodiösität und Erhabenem, dem Staub der Gassen und dem Leuchten von Palästen haben ARCHIVE sich eine Zuflucht gebaut, deren Weg sich zehn Jahre entwickelte und aus fünf Studioalben, einem Soundtrack und einem Live-Album besteht: Londinium (1996), Take My Head (1999), You All Look The Same To Me (2002), Noise (2004) und Lights (2006), die Musik zu Luc Bessons Michel Vaillant (2003) und das Unplugged-Album (2004).

Songs wie Fuck You, Again und System lassen auf Anhieb eine herausragende emotionale Qualität erkennen, und die Aufnahmen von Unplugged gaben bereits eine Ahnung von der außerordentlichen Live-Intensität ARCHIVEs, die von ihren Fans als französischste aller BritBands wahrgenommen wird - kein Wunder, scheint ihre Musik doch wie für Film-Noir-Exzesse gemacht zu sein. Schon deshalb war es eine gute Idee, die Aufnahmen für die CD/DVD Live at The Zenith bei einem Konzert in Frankreich mitschneiden zu lassen, nämlich im Januar 2007 im Pariser Zenith. Denn hier beschlossen ARCHIVE fast komplett ausverkaufte Tour 2006/2007 mit einem Konzert, das Fans in sich einsog wie ein magischer Kreis: \"Wir spielten sämtliche Songs im Repertoire länger, als wir es auf den Alben taten\", so stellten die Bandmitglieder befriedigt fest.

So beginnt das Konzert mit einer 15-minütigen Version von Lights, das den Hörer unwiderstehlich in seinen atmosphärischen Bann zieht und auch auf dem Album einiges von der nahezu surrealen Live-Atmosphäre bei ARCHIVE mitteilt. Dann kommen Noise, Veins und Sane, deren Sound rauer, lauter und auch fesselnder ist. Nicht zuletzt durch die Stimmen von Pollard Berrier, Maria G und Dave Penney, die als hervorragende Fremdenführer auf dem Trip durch das Unbekannte fungieren und durch große stimmliche Leistungen überzeugen.



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