Nits - Les nuits
Werf / Sony BMGVÖ: 15.04.2006
Löcher im Herzen
Die großen alten Herren der gepflegten niederländischen Verquastheit versuchen sich mal wieder, nun ja, an gepflegter niederländischer Verquastheit. Hierzulande kennt man die Holländer wenn überhaupt ja eigentlich vor allem durch ihren '87er Hit "In the Dutch mountains". Besonders Interessierte erfreuten sich auch am melancholischen "J.O.S. days", am dramatischen "Nescio" oder am wunderbaren "Cars & cars". Feingeistiger Pop, wie ihn damals auch Bands à la Talk Talk drauf hatten. Wie Talk Talk dehnten nämlich auch die Nits ihren Horizont immer weiter aus: Jazz, Kammermusik, Musique Concrète, Folk, Existentialismus. Mit einem Wort: Avantgarde. Und das seit 1974.
Nach seinem zwischenzeitlichen Ausstieg ist für "Les nuits" auch Samplingfachmann Robert Jan Stips zurückgekehrt. Außerdem versicherten sich die Niederländer der Mithilfe des Mondriaan Quartet. Beste Voraussetzungen also, um mit dem zwanzigsten Album wieder einmal für erhobene Augenbrauen zu sorgen. Und schon das eröffnende Titelstück verdunkelt mal wieder die Sinne. Niedergeschlagen gleitet Henk Hofstedes Stimme durch abschüssige Harmonien und spielt mit den Gegensätzen des Lebens.
Darunter machen es die Nits für gewöhnlich nicht. Denn die Seltsamkeit gehört zum Konzept. Und dem wird dann wie in "The red dog" auch mal osteuropäisch anmutendes Bläsergetümmel oder ausfaserndes Synthesizer-Fiepen wie in "The launderette" untergeordnet. Apropos Konzept: Bis auf das Titelstück beginnen alle Songtitel mit jenem direkten Artikel, den sich die Nits mittlerweile aus dem Bandnamen getilgt haben. Und der Titelsong entpuppt sich auch noch selbstironisch als charmante Aussprache ihres Namens bei ihren französischen Nachbarn.
Auch wenn besonders die mit echten Streichern versehenen Augenblicke für Atmosphäre sorgen können, hat man die Nits durchaus schon zwingender erlebt. Gerade Stips verschenkt nämlich einige Chancen der breit angelegten Songs durch inadäquate Klangerzeugung. Dabei war doch gerade das genau austarierte Spannungsfeld zwischen Sound und Story immer eine Stärke der Band. Natürlich ist aber auch "Les nuits" keine wirkliche Enttäuschung. Die Trilogie aus "The launderette", "The pizzeria" und "The key song (War and peace)", die sich mit der Ermordung des Filmemachers Theo van Gogh befaßt, trocknet die eigenen Tränen und versucht mit aufmunternder Melodie ein paar Brücken zu bauen. Auch das faszinierende "The hole" und der leise Schlußtrack "The milkman" verheißen Versöhnung statt Verteufelung, Mut statt Mystifizierung. Um das eine vom anderen unterscheiden zu können, braucht es Erfahrung und Weisheit. Die Nits besitzen beides. Mit Sicherheit.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The long song
- The wind-up bird
- The hole
- The milkman
Tracklist
- Les nuits
- The rising sun
- The Eiffel Tower
- The red dog
- The long song
- The launderette
- The pizzeria
- The key shop (War and peace)
- The wind-up bird
- The hole
- The milkman
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