The Organ - Grab that gun

Beggars Group / Indigo
VÖ: 31.03.2006
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Verlorene Zeiten

Manchmal, da träume ich des nachts von den Siebzigern. Zumindest glaube ich das, denn die Träume sind von grausigen Farben geprägt. Eine runde Lampe in Zinnoberrot mit weißem Neonlichtring. Grüne Tapeten mit scheußlichen großen Mustern. Kleine dunkelgrüne Mosaike auf der orangen Küche. Braune schwere Cordsofas. Alptraumhaft große Frauen in scheußlicher Kleidung, die auf mich kleinen Wurm hinuntergucken.

All das sind Erinnerungen, die einem bei The Organ sofort entgegenschlagen. Dazu trägt nicht nur das ausgesprochen häßliche Cover bei. Auch die durchaus einprägsame Stimme von Katie Sketch erinnert an stil-prägende Damen aus jener Zeit, wie etwa Debbie Harry oder Siouxsie Sioux. Und die Stimmung, die auf "Grab that gun" verbreitet wird, entspricht jener, die sich Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger erfühlen ließ: Als die Anarchostimmung der Punks den Depressionen der Thatcher-Ära zu weichen begann und Ian Curtis das Verunglücken mit der Rasierklinge zum hohen Glück erklärte, hießen die Bands The Cure oder Joy Division, welche allerdings weder Heilung noch Freude versprachen.

Das tun The Organ gleichfalls eher selten, doch liegen 25 Jahre und der atlantische Ozean zwischen England und Kanada. Und so fragt man sich, warum man sich heute die Depressionen nochmal antun sollte, die einen schon damals runterzogen. Sicher, "Brother" etwa hat Drive und peitscht einem mit seinen Baßläufen das Blut vom Hirn in die Beine. Und auch die Hammond-Orgel bildet den passenden Soundteppich, auf dem die Gitarre tanzen mag. Aber was bei den Editors oder auch bei Interpol etwa wenigstens noch in Ansätzen vorhanden ist, fehlt bei The Organ völlig: der Versuch, etwas Neues zu wagen und damit mehr als nur eine Prise Eigenständigkeit beizusteuern, die sich bei The Organ im wesentlichen in der Tatsache der rein weiblichen Besetzung erschöpft.

Irgendwie hätte man vielleicht besser noch eine Weile gewartet mit diesem eigentlich schon 2004 erschienenem Album, denn manche der Stücke sind durchaus Single- und Gruftie-Club-tauglich. Aber auf Albumlänge bleibt zu vieles, das ein bißchen beliebig wirkt. Und daß man bei unaufmerksamen Hören immer wieder nachschaut, ob nicht doch die Repeat-Taste eingeklemmt ist, macht den Gesamteindruck auch nicht besser. So bleibt "Grab that gun" mal wieder eine dieser Scheiben, zu der man zwar einem schön depressiven Abend zu einer Flasche Wein mit dem Leben hadern kann. Aber am nächsten Morgen fragt man sich, was man am Abend vorher alles für einen Unfug gedacht hat. Und ist froh, daß die Wand doch nur in schlichtem weißen Rauhfaser erstrahlt.

(Holger Schauer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Brother
  • Love, love, love
  • Memorize the city

Tracklist

  1. Brother
  2. Steven Smith
  3. Love, love, love
  4. Basement band song
  5. Sinking hearts
  6. A sudden death
  7. There is nothing I can do
  8. I am not surprised
  9. No one has ever looked so dead
  10. Memorize the city
Gesamtspielzeit: 29:53 min

Im Forum kommentieren

VelvetCell

2024-05-29 09:53:38

Und ich die 7" von Memorize the City. Immerhin ...

kingsuede

2024-05-29 09:13:27

Auch zu spät gesehen. Gut für den Geldbeutel. Besitze lediglich die 7" von Brother.

VelvetCell

2024-05-29 08:48:06

Fuck. Mein wohl meistgewünschtes Album.

Spinnefink

2024-05-28 22:27:21

Sold out

Immermusik

2024-05-28 17:57:54

The greatest album of all time jetzt wieder erhältlich als 20th anniversary Special edition.
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