Palestar - ?Mind the landscapes!

Mi Amante / Cargo
VÖ: 31.03.2006
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Innen hui

Schon mal ein Blind-Date mit einer Frau gehabt, die zur Feier des Tages beim ersten Mal in einem Jogginganzug aufläuft? Das muß abtörnen! Zugegeben: Der Vergleich hinkt ein wenig. Doch so ähnlich ist für uns Rezensenten manchmal jenes Gefühl, wenn eine Promo-CD einer neuen und noch recht unbekannten Band in eine häßliche Papierhülle gesteckt wird und relativ lieblos verpackt im Briefkasten landet. Man kann sich der ersten Distanz nicht erwehren. Doch weil es primär immer um Musik gehen soll und weil wir diese sowieso innig lieben, kommen wir irgendwann dann doch in den Quark. Und manchmal, so lehrt uns die Geschichte, tun wir gut daran.

Palestar. So bleich der Name, so bleich die Hülle. Was das wiederum über die Musik aussagt? Sehr wenig! Das Album "?Mind the landscapes!" der Formation aus Leipzig ist mitunter prächtig. Vier Menschen sind es nur, die diese Musik auf die Beine stellten. Dennoch ist der Sound so getragen, so dicht, daß der Hörer beizeiten eine ganzes Dutzend Protagonisten an irgendwelchen Instrumenten wähnt. Patrick Sudarski, der Sänger, hat dazu noch eine tolle Stimme. Sie paßt sich hervorragend den dramatischen Arrangements an, die da von Gitarre, Baß und Schlagzeug erzeugt werden. "#1069" ist ein solches Stück. Das grollt und rollt. Die tolle Melodie will kaum mehr aus dem Ohr. Und sie erinnern an Slut, als diese zu "Lookbook"-Zeiten noch auf dem richtigen musikalischen Trip waren. Auch bei "The worst is yet to come" kommt diese Assoziation in den Sinn.

Doch nicht immer ist es getragenes Pathos, das den Sound von Palestar ausmacht. Oft ist es auch das grollende Inferno. Ein Song wie "Motor home" klingt wie ein kleiner Ritt durch die Hölle. Immer wieder wird dieser Galopp jedoch versüßt durch hochtönige Gitarrenläufe, die sich wie ein roter Faden durch dieses Album ziehen. Bestes Beispiel: "Into the breathing", mit seinem furiosen Auftakt und diesem epischen Ende. "Berlin is for heroes" heißt dann ein schöner Song, der musikalisch der fragilste ist. Es spricht ein gewisser Trotz aus dem Titel, der dann inhaltlich in eine ganz andere Richtung führt, vom Scheitern Ludwig des XIV. berichtet. Die Band stattdessen kommt aus Sachsen. "Leipzig is for losers" fügen wir dem hinzu und verweisen gleichzeitig darauf, daß uns die kleinen Bands, die "Loser" sozusagen, eigentlich viel besser gefallen. Auch wenn sie im Falle von Palestar nicht immer die spektakulärsten sein mögen. Keine Helden, eher die netten Jungs von nebenan.

Eine Geschichte gilt es am Ende noch aufzulösen: Die mit der mangelnd adäquaten Bekleidung für das Rendezvous. Denn weil sich partout keine Plattenfirma erbarmte, dieses tolle Album zu veröffentlichen, nahmen Patrick und seine Mitstreiter die Sache eigens in die Hand, finanzierten ihren musikalischen Auftrag quasi im Alleingang. Die Belohnung haben sie sich nun selbst verschafft. Denn Palestar haben ohne Plattenvertrag ein Album gemacht, das viele andere Bands aus Deutschland selbst mit Plattenvertrag nie und nimmer so geschafft hätten. Und weil das so ist, ist uns der Jogginganzug mittlerweile scheißegal, in den diese Platte gekleidet ist. Und Du als Käufer empfängst das Date ja sowieso in einem vernünftigen Abendkleid.

(Sebastian Peters)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • #1069
  • The worst is yet to come
  • Thought police

Tracklist

  1. Mind the landscapes
  2. #1069
  3. Drowned in a bathtub
  4. Siberian fog
  5. When language fails
  6. Motor home
  7. Into the breathing
  8. Berlin is for heroes
  9. Sky is the lonliest place
  10. The worst is yet to come
  11. These walls might break
  12. Thought police
Gesamtspielzeit: 53:37 min