Brave Captain - Go with yourself (The fingertip sessions Vol. 2)
Wichita / Clearspot / EFAVÖ: 05.01.2001
Beherzte Traumvehikel
The Boo is back. Brave Captain alias Martin Carr gibt sich wieder die Ehre. Letzterer Name hat sich in anglophilen Gehirnwindungen während der Neunziger festgebrannt, war Martin doch Mastermind und Gitarrist der Boo Radleys und nebenbei ein Sänger mit jener von Gott geschenkten charismatischen Stimme, welche mal eben den Weltuntergang in einen tanzbaren Popsong verpacken konnte. Aber kann er das noch immer? Nach einer unverhofften Minialbum im August hat nun das Hoffen Gestalt in Form einer CD angenommen. Die aktuelle Scheibe "Go With Yourself (The fingertip saint sessions, Vol. 2)" hilft allerdings wenig bei der Beantwortung der Frage, ob Carr immer noch alles Ungemach der Welt versüßen kann. Vielleicht darf er dies auch in den Augen anderer gar nicht mehr. Dennoch gilt auch für dieses Album: Entweder liebt man diese Stimme oder eben nicht.
Wer schon den Boos verfallen war, kann bei den 15 Songs der beiden "Fingertip saint sessions" in Seelenruhe weiter träumen. Den Instant-Ohrwurm-Effekt wird man auf den eher introvertiert-verträumten Songs aber ebenso wie langatmige Songwriter-Phantasien à la Nick Cave und Konsorten vergeblich suchen. Dafür treiben auf "Go with yourself" aber Blüten der Sentimentalität aus, wenn Carr etwa in "Go with yourself" programmatisch seinen Werdegang intoniert. "Nothings gonna change / If you don't find the world / That you don't know yet" erklingt es süß umrandet von akustischen Gitarrenklängen, leichten Drums und einem Glockenspiel. Wenn das keine Perspektive für eine neu gefundene Carr-Welt ist! Vorwärts in Unbekannte, ohne Angst vor musikalischen Grenzen, klanglichen Beschränkungen und vertonten Benimmregeln. Man nehme was gefällt. Alles, was der Captain brauchte, um seine Intention des Neuentdeckten befriedigenden darzulegen, ist seinen Klang-Cocktail miteingeflossen. Die neuentdeckte Leichtigkeit des Seins hält so einige Schönheiten für den Zuhörer bereit, wenn er es denn wagt, den seichten Melodiepfaden zu folgen.
Emanzipiert aus dem übermächtigen Schatten der einstigen Britpop-Protagonisten steigen Brave Captains Songs selbstbewußt an die Musikoberfläche. Der Opener "The monk jumps over the wall" streichelt unsere Gehörgänge mit glückseligen LSD-Sounds, wie man sie bereits in rudimentären Ansätzen von diversen Boo-Singles her kannte. Hier aber wird konsequent ruhiger ausgelebt, was früher undenkbar war. Saxophon, Harmonika und Hammond-Orgeln schnurren vergnügt Downtempo-Melodien. Trompeten-Klänge verschönern "Hermit versus the world", sein Liebeslied ans Leben, und das alles in entspannten Klangregionen unterhalb des Schnulzenpegels. Polarisieren wird der neue Silberling dennoch: Entweder man schläft dabei vor Langeweile ein oder man entschlummert in seine "world that you don't know yet". Als Vehikel für verträumte Stunden ist "Go with yourself" bestens geeignet. Oder auch nicht. Polarisation eben. Boo!
Highlights & Tracklist
Highlights
- Ein hoff le
- Hermin versus the world
- Go with yourself
Tracklist
- The monk jumps over the wall
- Assembly of the unrepresented
- Tell her you want her
- Where is my head?
- Ein hoff le
- Hermit versus the world
- Running off the ground
- Reuben
- Go with yourself
Referenzen
Threads im Forum
- Brave Captain - Distractions (2 Beiträge / Letzter am 05.02.2006 - 14:27 Uhr)