Katatonia - The great cold distance

Peaceville / Snapper / SPV
VÖ: 10.03.2006
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Eispanzer

Ein Jahrzehnt nach den typischen Klischees mit gekritzelten Schriftzügen und verwesten Tierkadavern im Wald ist die Welt bei Katatonia immer noch dunkel. Und verendetes Federvieh ja ohnehin aktueller denn je. Geblieben ist bei Katatonia auch das typisch Schwedische: der Spagat zwischen Moderne und altbewährten Traditionen. Oder auch zwischen Gesellschaft und Zurückgezogenheit. "The great cold distance" als Titel sagt eigentlich schon alles. Nordische Melancholie. Ellenlange Wintermonate und derart endlose Entfernungen bis zum nächsten Dorf, daß sich sogar Elche dazwischen einsam fühlen. Aber irgendwie hat das auch alles etwas Gutes. Kein Smog wie eine Bleidecke über der Stadt, dafür aber eine Menge Herzschmerz.

Genau da sind Katatonia heute angekommen: bei Herzschmerz-Musik. Bei ständigen Minusgraden sehnt man sich halt nach schönen, träumerischen Melodien wie in "Journey through pressure". Doch die Belastung durch die Dunkelheit ist eine lange Reise, die viel Ausdauer erfordert und fast genauso schleppend langsam vorübergeht. Zurück bleibt der Kompromiß zwischen Hoffnung und Leid.

Mit "Leaders" steigt man heftig ein in "The great cold distance". Moderne Rhythmen, Breitwandgitarren und ein tiefes Schlagzeug, was zwar im ersten Moment wohltuend klingt. Doch spätestens, wenn sich nach den leisen Parts die geschriene Kaltfront entlädt, bahnt sich Böses an. Es bleibt vorerst unterdrückt. Sanfte Elektronik und dieser butterweiche Ohrwurm-Refrain in "Deliberation" sowie die traurig schöne Ballade "My twin" wiegen den Hörer in Sicherheit. Die Ruhe vor dem Sturm. Das wilde, zwischen den Stühlen stehende "Consternation" ist der Wendepunkt. Verzerrte Stimmen, Akustik, dann gleich der Donner. Die Trostlosigkeit bricht heran. Bestes Beispiel dafür ist das extrem dunkle und depressive "Follower". Ab dann gibt es wenig Optimismus. Bedrückung trifft sich mit Melancholie, und beide gesellen sich zu frostiger Schwerfälligkeit.

Traurige und einsame Musik, die klingt wie Tool unter einer Zentnerlast. Und die nicht nur in der Aussage bedrückend monoton ist, sondern störenderweise auch im Gesang. Dank elektronischer Spielereien kann man Liedern zwar dennoch eine Unmenge an Abwechselung einverleiben. Doch am Ende bringt das relativ wenig, wenn über allem der dichte Teppich aus Schnee und Kälte liegt und sich kein Song unter ihm frei entfalten kann. Schweden im Winter, da kann auch aller Fortschritt nichts ändern, ist nun einmal kalt, dunkel und undurchdringlich. Schön und faszinierend, aber nichts für die Dauer. Heizung auf Volldampf, bitte!

(Christoph Schwarze)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Deliberation
  • Follower

Tracklist

  1. Leaders
  2. Deliberation
  3. Soil's song
  4. My twin
  5. Consternation
  6. Follower
  7. Rusted
  8. Increase
  9. July
  10. In the white
  11. The itch
  12. Journey through pressure
Gesamtspielzeit: 51:53 min

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