Graham Coxon - Love travels at illegal speeds

Parlophone / EMI
VÖ: 17.03.2006
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Radarkontrolle

Man hatte nicht unbedingt erwartet, daß der NME Graham Coxon zum besten britischen Solokünstler des Jahres 2005 küren würde. Ebenso wenig wie man 2004 damit gerechnet hatte, daß der Ex-Blur-Gitarrist nach vier größtenteils gewöhnungsresistenten Lo-Fi-Strapazen mit "Happiness in magazines" doch tatsächlich eine Sammlung ordentlich ausgefeilter Popsongs veröffentlichen würde. Zwar etwas dürftig als Basis für eine NME-Trophäe, aber schließlich ist der NME die selbsternannte Starastrologin unter den Musikblättern und kann in die Zukunft blicken - "Love travels at illegal speeds" überrascht mit euphorischer Punkartistik und lieblicher Schunkelakustik: A bittersweet bundle of hits.

Bittersweet, weil das Konzeptalbum Königin Liebe und ihre Hofnarren aus allen Blickwinkeln beleuchtet und Grahams Hornbrille dabei nicht immer nur rosarot getönt ist. Gleich der Opener "Standing on my own again" suhlt sich im Schmerz eines Verlassenen, der den Untergang des gemeinsamen Schiffes betrauert. Wenn Coxon von tosendem Wasser in der Lunge und garstigem Salz in den Augen singt, speit das Meer reichlich lyrische Klischees. Im Verlauf der dreizehn Stücke kommt noch weiteres poetisches Strandgut hinzu. Musikalisch mitleidig wird es dabei allerdings nie: Gitarre, Baß und Schlagzeug scheinen in powerpopgespeister Eintracht fest daran zu glauben, daß das Vorhaben, die lichtgeschwindigkeitsschnelle Liebe einzuholen, gelingen wird. Auf die Heckscheiben ihrer Rennwagen, in denen Songs wie "I can't look at your skin" oder "Don't let your man know" sitzen, haben sie ziemlich durchsichtige Riesensticker geklebt: 1977.

Mehr als durchsichtig sind nicht nur die Unbekleidete-Maid-wie-Coxon-sie-schuf-Zeichnungen im Booklet, sondern auch so manche Textstelle: "Are you gonna dump this other guy / Before I die of sexual frustration?" heißt es im Gassenhauer "Gimme some love", dessen promillefreundliche Mitgrölkompatibilität trotz aller Simplizität sehr erfreulich ist. "You and I" beginnt als nüchterner Staccato-Rap und mündet in einen beatlesharmonischen Refrain, der sich abschließend übermütig jauchzend in eine scharfe Kinks-Kurve wirft. Einen so souveränen, juvenil-unbeschwerten und, jawohl, auch ganz schön versauten Graham Coxon hat man noch nie erlebt. Es wäre ihm sogar zuzutrauen, leichtfüßig ans Ende des ersten Absatzes zu huschen und schelmisch grinsend eine kleine Änderung vorzunehmen: A bittersweet bundle of tits.

Die musikalische Sturm- und Drangzeit des Graham C. ist also noch lange nicht vorbei, verläuft aber mittlerweile in geregelten Bahnen, die fast immer ins Ohr, aber auch durchaus in verkehrsberuhigte Zonen führen. Dann wird die Akustikgitarre aus dem Kofferraum geholt - und der seit Blurs "13" verschollene Kanister mit dem sanft schräg-melodischen Zauberkraftstoff. Coxon weiß nämlich: Das Herz tankt bleifrei. "Just a state of mind", "Don't believe anything I say" und "Flights to the sea (Lovely rain)" sind die sympathischsten Drei von der Tankstelle, die man sich vorstellen kann. Ballastfreie Balladen aus der 60er-Zone, so idyllisch wie eine Raststätte im Grünen nach zehn Stunden Autobahn. Mit etwas Glück kann man dort sogar einen NME erwerben und von Graham Coxons rosiger Zukunft lesen. Aber dieses Mal, ohne überrascht zu sein.

(Ina Simone Mautz)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Just a state of mind
  • You and I
  • Don't believe anything I say
  • Flights to the sea (Lovely rain)

Tracklist

  1. Standing on my own again
  2. I can't look at your skin
  3. Don't let your man know
  4. Just a state of mind
  5. You and I
  6. Gimme some love
  7. I don't wanna go out
  8. Don't believe anything I say
  9. Tell it like it is
  10. Flights to the sea (Lovely rain)
  11. What's he got
  12. You always let me down
  13. See a better day
Gesamtspielzeit: 50:45 min

Im Forum kommentieren

kelle

2006-09-29 13:12:57

das album ist fuckin nice!!!

Söze

2006-05-18 09:45:53

IMO besser als Happiness. Das Album musste bei mir zwar zuerst etwas wachsen, denn die ersten Songs klingen bei nicht allzu genauem hinhören eher nach 0815 US-Indierock von irgendwelchen Schülerbands als nach Gitarrengott im zweiten Abschnitt einer beeindruckenden Karriere. Aber eben: nur wenn man nicht allzu genau hinhört. Denn wenn man das tut, entpuppt sich Love Travels at Illegal Speeds als ein wunderbarer Geheimtipp. Wobei es eigentlich eine Schande ist, dass man Coxon nun offenbar als Geheimtipp handeln muss, denn Love Travels steckt so manche "neue" Britische-Retro-Punkpop-NME-Hype-Band locker in die Tasche. Buzzcocks meets US-Indierock. Innovativ ist's nicht. Aber entweder schön oder fetzig oder beides zusammen. Und Coxon singt besser als je zuvor.

Loam Galligulla

2006-05-17 17:56:41

Stärker als Happiness?

phyllis

2006-05-11 15:30:33

Coxon besser gelaunt, was sich nur auf die Musik bezieht. Ein paar schöne, schnelle Stücke, leider fällt es gegen Ende etwas ab. Andere Meinungen?

ruud

2006-03-22 11:44:18

schöner punkpop ist das.

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