Loose Fur - Born again in the USA

Drag City / Domino / Rough Trade
VÖ: 10.03.2006
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Die drei Fragezeichen

Ein wundersames Geflirre wurde vor drei Jahren ans Tageslicht gespült. Als Loose Fur hatten Wilco-Chef Jeff Tweedy, sein Klöppelmeister Glenn Kotche und deren knöpfchendrehender und kauzrockender Kumpel Jim O'Rourke ein Album unter einer Patchworkdecke ausgeheckt. "Loose Fur" berief sich auf sinnliche Folkideen, welche aber alsbald ohne viel Gegenwehr unter einer Rhythmusbestrahlung zerfielen, die sich The Velvet Underground oder Neu! ausgedacht haben könnten. Ein Projekt, ein Zwischending auf dem Weg zu neuen Ufern. Einzuordnen in jenen windschiefen Inspirationsschrank, aus dem schon "Yankee hotel foxtrot" gefallen war.

Denkste. Denn "Loose Fur" blinzelte nicht verwegen in die Zukunft, sondern grüßte schon aus der Vergangenheit. Die Platte war irgendwie liegengeblieben und tauchte erst als nachträgliche Vorarbeit auf. Da waren Wilco längst wieder unterwegs in Richtung Harmonie. Später bemerkte dann auch O'Rourke, daß er doch nicht mehr soviel Zeit für Sonic Youth hatte. Auch ihm stand der Sinn wieder nach so etwas wie Wohlklang. Und so fand Loose Fur schließlich erneut zusammen. Unter geänderten Vorzeichen.

"Born again in the USA" verkauft sich als kompakte Wiedergeburt. Kein verwegenes Geklapper mehr, keine versponnenen Fragmente. Ein Hauch Konservatismus gefällt sich in der Rolle als Songbesetzer und hat gleich seine Freunde Southern Rock und Westcoast-Pop mitgebracht. Man muß schon aufmerksam lauschen, um sich von ihnen nicht ins Bockshorn jagen zu lassen. Denn was das erste Ohr für offensichtliche Hemdsärmligkeit hält, entlarvt das zweite schon als eben doch kniffligen Um-die-Ecke-Kram.

Selbst die aufgetakelten Riffs nehmen lieber eine Kurve zuviel, um mit Bruder Jazz zu flirten, und gefallen sich bei Ausflügen ins Haus von Onkel Postrock. Durch "Apostolic" krabbelt eine Horde Ameisen, während in "An ecumenical matter" Glockenspiel und Gitarre von glücklicheren Zeiten träumen. "Answers to your questions" zwitschert und schnarrt zum Verzweifeln schön, und in "Wreckroom" führen Zerbrechlichkeit und Zerstörungswut eine erleuchtende Schlacht.

Tweedy pfeift auf heimelige Kadenzen, O'Rourke dreht sich behäbig im Kreis, und Kotche zückt immer genau jene Rhythmen, die beinahe perfekt ins Bild passen. Beinahe wohlgemerkt. Denn auch das zweite Album des eingeschworenen Dreiers konzentriert sich immer deutlicher auf die Sollbruchstellen, die von vorneherein in die Musik hinein konstruiert wurden. Je öfter sich der Verstand auf "Born again in the USA" einläßt, desto durchlässiger wird die harmlos scheinende Oberfläche. Das Gegenteil einer Abnutzungserscheinung.

(Oliver Ding)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Answers to your question
  • Apostolic
  • Wreckroom

Tracklist

  1. Hey chicken
  2. The ruling class
  3. Answers to your questions
  4. Apostolic
  5. Stupid as the sun
  6. Pretty sparks
  7. An ecumenical matter
  8. Thou shalt wilt
  9. Wreckroom
  10. Wanted
Gesamtspielzeit: 37:55 min

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fakeboy

2006-05-17 21:47:22

wow, hab mir die platte endlich angeschafft und bin mehr als begeistert! natürlich kommt sie nicht an die wilco-live-scheibe, aber sie hat was angenehm verspieltes, ohne zu sehr quer zu liegen.

übrigens ein tipp am rande: "mobile" von wilco- und loose fur-drummer glenn kotche ist eine kleine perle. percussions-jazz, sehr experimentell, aber grandios. ich glaub der kotche ist momentan mein lieblingsdrummer...

Mim

2006-04-27 11:51:56

Hab mich zwar noch nicht richtig eingehört in Loose Fur aber ich glaub ich auch.

The MACHINA of God

2006-04-26 22:35:39

Ich auch.

Oliver Ding

2006-04-26 22:34:11

Ich finde Wilco trotzdem ein gutes Stück spannender.

Susu

2006-04-26 11:36:15

"Wreckroom" ist so ein Hammerding, aber letzendlich ist die ganze Scheibe toll.

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