Adam Green - Jacket full of danger
Rough Trade / Sanctuary / Rough TradeVÖ: 10.03.2006
Señor Sonor
Wenn sich irgendjemand "amerikanischer Adoptivsohn der deutschen Indieszene" nennen darf, dann Adam Green. Böse Zungen behaupten ja, es sei ganz logisch, warum der New Yorker öfter in Deutschland konzertiert, als Paris Hilton ihre Kreditkarte zückt: Weil er in seiner Heimat noch nicht einmal halb so erfolgreich ist. Und die hiesigen Feuilletons interessierten sich auch ausschließlich deswegen für ihn, weil er eine Ex-Kafka-Verlobte im Stammbaum vorweisen kann. Sonst hätte er ja auch nie bei Suhrkamp ein Buch veröffentlichen dürfen. Außerdem sind seine Alben doch die reinste Massenliedhaltung: fünfzehn Songs innerhalb von nur dreißig Minuten. Und die Texte erst! Entweder total wirr oder total versaut, nicht selten sogar beides. Sagen die Grantler. Wenn Adam Green sich in deutschem Kinderliedgut so hervorragend auskennen würde, wie in den letzten fünfzig Jahren Musikgeschichte, er würde vermutlich "Grün, grün, grün sind alle meine Neider!" croonen und dabei sein spitzbübischstes Las-Vegas-Lächeln aufsetzen.
Und dazu hat er auch allen Grund: "Jacket full of danger" ist nämlich ganz und gar nicht das von vielen befürchtete Verlegenheitsalbum zur "Wer will noch mal, wer hat noch nicht?"-Tour geworden, sondern ein Jahr nach "Gemstones" der eigentliche Edelstein - auch wenn dieser an ein paar wenigen Stellen noch etwas mehr Schliff vertragen hätte. Adam macht Ernst und schielt nach den ganz großen Entertainern. Nicht ohne Grund heißt das schwungvollste Stück der Platte "Hollywood bowl". Green wird bei Wikipedia sehr bald auch unter "Indie-Sinatra" zu finden sein. Er präsentiert sein neues Broadway-Whiskey-Timbre, entführt souverän ins samtige Souterrain seiner Stimme und klingt nun erstaunlich oft nach, jawohl: Elvis Presley. Der King steht ihm gut. Etwas zu viel des Guten hingegen sind gelegentliche, leicht überdrehte Jim-Morrison-Anwandlungen, über die man jedoch großzügig hinweghört, denn stattdessen gilt es, die Rückkehr der "Friends of mine"-Streicher unter Leitung der geschätzten Jane Scarpantoni zu feiern.
Die Grantler werden wahrscheinlich raunen: "Diese alte Musik, sie könnte Deine Mutter sein! Das hat doch keine Zukunft!" Und ob das Zukunft hat, wenn Adam Green heute das Beste von vorgestern mit dem Guten von gestern vermählt. "Pay the toll" macht es sich im Wasserbett der musikalischen Sentimentalitäten bequem, um dann unvermittelt lustige Weisheiten abzufeuern: "How many drugs does it take / To find something to do? / Everybody, it takes two." Mit dieser Platte könnte man locker nostalgische Großelternherzen glücklich machen - sofern sie nur über rudimentäre Englischkenntnisse verfügen. Auch wenn sich Green dieses Mal eher den wirren, als den versauten Texten widmet, es sind immer noch genügend Frivolitäten dabei, um bei unvorbereiteten Hörern eine Schamesröte zu erzeugen, die länger andauert, als dieses Album Nummer vier. Da sind die ausführlichen Erläuterungen zur Beschaffenheit der "Hairy women" noch das Wenigste. Die Platte endet mit dem Bekenntnis "I'm so embarrassed." Auch wenn er musikalisch fast immer glaubwürdig bleibt: Diese Verlegenheit nimmt man Adam Green nun wirklich nicht ab.
Die "Vultures" umschwärmen einen pulsierenden Motown-Baß, während der einstige Antifolk-Schlingel endgültig zu Señor Sonor avanciert ist. Das "Sexual healing" des neuen Jahrtausends. Und "Novotel" ist mit seinem charmanten Sprechgesang eine Art "Subterranean homesick blues" - nicht ohne Grund wird darin auch das Dylansche Original zitiert: "The phone's tapped anyway." Eine weitere, weniger schmeichelhafte His-Bobness-Anspielung offenbart die aufgekratzte, leicht angetrunkene Nummer "Hey dude", die stellenweise klingt, als hätte Adam Green sich wochenlang in den Gewölben von Jack Daniels eingeschlossen: "Bob Dylan was a vegetable's wife." Nein, muß man nicht verstehen. "Do you want to go the wrong way? I'll take you for a ride!" Mit Vergnügen. "Party line" ist eine wunderbare Ode an die netten Burschen, die auf jeder Fete präsent sind, aber leider trotzdem nie ein Mädchen abschleppen, und beruhigt all jene, die dachten, in den New Yorker Dumbo Studios hätte dieses Mal keine Orgel gestanden. In der Pressemitteilung ist zu lesen, daß die erste Single, "Nat King Cole", Buddy Holly Konkurrenz um den letzten Tanz mit Peggy Sue macht. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Und schon wieder Federvieh - man könnte glatt auf die Idee kommen, daß der junge Herr während seiner zahlreichen Germanybesuche die andere Bedeutung des deutschen Wortes für "birds" erfahren hat: Die "C-Birds" flattern Nick-Cave-düster umher und landen schließlich bei indianisch-brummigen Stammesgesängen. Das behäbig zwischen Sarkasmus und Pathos pendelnde "Drugs" kann in Anbetracht derartiger Einfälle keine reine Phantasie sein. Und es geht tierisch weiter: In "Animal dreams" schraubt sich Greens Stimme chromatisch hoch und krönt diese artistische Leistung mit Zirkusmusik. Ebenso hübsch gelungen ist seine Interpretation des Beat-Happening-Klassikers "Cast a shadow". Bedauerlicherweise wirkt "Jolly good" dafür wie eine mittelmäßige Johnny-Cash-Parodie und "White women" stampft im bluesinfizierten Bombast-Morast herum. Wäre ja auch irgendwie unheimlich gewesen, wenn Adam Green ein ausschließlich brillantes Album vorgelegt hätte. Aber er war mal wieder auf einem guten Weg.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Party line
- Nat King Cole
- Animal dreams
- Cast a shadow
Tracklist
- Pay the toll
- Hollywood bowl
- Vultures
- Novotel
- Party line
- Hey dude
- Nat King Cole
- C-Birds
- Animal dreams
- Cast a shadow
- Drugs
- Jolly good
- Watching old movies
- White women
- Hairy women
Im Forum kommentieren
ArtBrut
2007-02-06 14:19:32
Der Adam bringt wohl bald ein neues Album raus, hat er zumindest bei MySpace geschrieben. Hat jemand eingentlich "Magazine" von dem?
Tochter Klausmann
2006-07-25 12:49:42
papa bist du es??????
mama sagt du kriegst den arsch voll!!!!!!!
Martin Klausmann
2006-07-25 00:56:01
Gibt es noch jemand, der mit mir eine anspruchsvolle
Unterhaltung führen will?
hgads
2006-07-25 00:47:24
kann ich nicht ab
Lennon
2006-07-24 22:17:22
kann sein trotzdem bleibt es eine nette geschichte. macht es das nicht zur wahrheit? die antwort lautet "nein"
ein wenig geklaut aber das macht adam green auch
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