Anna Ternheim - Somebody outside
Stockholm / UniversalVÖ: 03.02.2006
Nur wir
Und dann geht die Sonne auf. Wie auf dem Cover. Wir müssen raus, verlassen die Sägemühle hier auf der Insel Gotland und begeben uns auf natürliche Pfade. Jemand draußen? Ja, wir! Anna Ternheim und ich. Sie will mir was aus "Somebody outside" vorsingen. Ich bin fasziniert von dieser Kulisse. Hinter uns die Mühle, in der das Album eingespielt wurde. Und vor uns 39:09 Minuten schwedische Songwriterkunst. Die für den Augenblick schönste Damenstimme des Popzirkus. Schweden ist ja sowieso das Land, in dem die Menschen nach Feierabend noch einmal schnell ein paar Supermelodien aus dem Ärmel holen. Sagt man so, im Rest der Welt. Jetzt also Anna Ternheim. Wo kam die nur plötzlich her? Und woher hat sie all die Melodien? Und warum hat mir bisher kein versierter Musikjournalist von ihr erzählt? Außer Lars, der kein Musikjournalist ist, der als Austauschstudent aus Schweden zurück kam und "Somebody outside" im Gepäck hatte. 2004 erschien das Album in Schweden. Wir haben 2006! Ja, schlafen sie denn jetzt alle?
Anna, ich weiß nicht, welches Lied Du mir zuerst vorsingen sollst. Fang mit "Better be" an. Denn das ist ja wohl der Hammer. Dieses Intro mit der Gitarre, wo mich das Picking an die Doves erinnert. Und dann diese Melodie, die man nie mehr vergessen kann. Ich liebe diesen Song. Anna Ternheim, Du bist der James Blunt des Akustikfolk, nur in weiblich und nur in cooler. Ich muß mir gleich mal ein Schwedentrikot über den Bauch streifen, wie der dicke Mann aus der Werbung zu Blunt. Danach spiel bitte "To be gone" mit seinem jazzig-milden Auftakt, diesem dicken Baß, der deftig Kontra gibt. "Leave the body, leave the mind". Deine Stimme klingt einerseits irgendwie ziemlich bockig und trotzig. Das kann vielleicht an der skandinavischen Sozialisation liegen. Da ist man ja öfter auf sich gestellt, wie man auf den Fotos im Booklet sehen kann, wo die Menschen alle in Schwarz-weiß abgelichtet sind, irgendwie einsam aussehen. Dann aber auch wieder glücklich. Nur die Kühe stehen zusammen, damit ihnen nicht kalt ist. Danach spiel "French love", wo Du ein wenig an Elastica erinnerst. Nur in viel milder. Du schöne Chanteuse, die Du ja in Lausanne studiertest, ehe Du in Stockholm ein Architekturstudium aufnahmst. Fragst am Ende: "Qui ne m'aime pas?" Wir bestimmt nicht!
Und jetzt sag bitte nicht nein, wenn ich Dich bitte, "I say no" zu spielen. Nur ganz saft, auf der Gitarre. Wie prächtig all diese Songs gelungen sind. Hast Dir ja auch lange Zeit gelassen: mit 17 angefangen, Songs zu schreiben. Und dann: "A voice to calm you down". Da nennst Du die Sache mal beim Namen. Deine Musik ist Sound für jene Menschen, die sich auf Zeltplätzen gerne die Hand um die Kamillenteetasse legen und dann gedankenversunken auf den Tassengrund starren. Ein Fall für einsame Herzen. Aber Einsame-Herzen-Musik ist ja wieder salonfähig geworden, und so wird dieses Album Dir den verdienten Erfolg bescheren. Prophezeie ich Dir jetzt einfach mal. Obwohl? Was ist Erfolg in Deiner Branche? Kommt das Geld, dann geht die musikalische Melancholie. Das ist ja eine einfach aufzustellende Milchmädchenrechnung. Deshalb gib bloß acht!
Wir stehen jetzt auf, verlassen den Platz und rennen in Richtung Strand. Sing bitte noch Broder Daniels wunderbares "Shoreline" auf dem Weg dahin. "For all my life I've been waiting for somebody lasting / You lose your hunger and you lose your way / You get confused and then you fade away." Ach komm. Jetzt drückst Du aber ganz schön auf die Tränendrüse. Anna Ternheim. Soll ich Dir was sagen? Das sind zehn wunderbare Songs, wie ich sie intensiver in den letzten Monaten kaum vernommen habe. Mir ist trotzdem kalt. Ich stell mich jetzt rüber. Zu den Kühen.
Ach, und an die Macher von Google: Die Frage "Meinten Sie: 'Tierheim'?" hättet Ihr euch sparen dürfen!
Highlights & Tracklist
Highlights
- To be gone
- Better be
- I say no
- Shoreline
Tracklist
- To be gone
- Better be
- I'll follow you tonight
- Bring down like I
- I say no
- A french love
- A voice to calm you down
- Somebody's outside
- My secrets
- Shoreline
Im Forum kommentieren
musie
2021-04-12 14:14:10
Achtung, drei neue Naked Versions vom letzten Album sind neu erschienen letzte Woche. Grossartig!
musie
2021-04-11 10:53:47
Die ersten beiden Alben sind meine Lieblingsalben von ihr geblieben. Von beiden sind die Naked Versions unverzichtbar. Insofern ist auch die Albumbewertung schwierig. Better Be finde ich zum Beispiel in der Naked Version viel besser. Ich war an unzähligen Konzerten von ihr und fand die reduzierten ohne Band immer die besten.
Ich würde Somebody Outside so bewerten:
To be gone 9/10
Better be 9/10 (naked)
I'll follow you tonight 9/10
Bring down like I 6/10
I say no 8/10
A french love 8/10 (naked)
A voice to calm you down 7/10
Somebody's outside 7/10
My secret 9/10 (naked)
Shoreline 10/10
Insgesamt 8+/10
Die Hafen-Trulla
2021-04-11 02:37:00
To be gone 9/10
Better be 8/10 (hab mich jahrelang an dem stampfenden Beat gestört)
I'll follow you tonight 7,5/10
Bring down like I 8/10
I say no 7/10
A french love 5/10
A voice to calm you down 7/10
Somebody's outside 9/10
My secrets 8/10
Shoreline 7,5/10 (der Gesang stört mich hier etwas, aber das Outro mit dem Akkordeon gibt dem Album ein wunderbares Ende)
Fazit: Ich hab das rechnerisch nicht ausgetüftelt, aber schon Kante wussten ja, dass die Summe immer mehr ist als die einzelnen Teile. Das Album zieht einen mit seiner intimen Atmosphäre sehr in den Bann und auch die "nur" guten Lieder fügen sich wunderbar stimmig in das Gesamtbild ein. Die Produktion ist etwas schwach, lag wohl daran, dass 2006 noch nicht so viel Geld da war. Ein sehr schönes Album und eine verdiente 8/10.
PS:
Wer andere Künstler und/oder Alben kennt, die in die "Somebody Outside"-Richtung gehen und deren Klasse erreichen, darf es gerne (Achtung Youtuber-Spruch) in die Kommentare schreiben. Bis dahin überlege ich mir, wer den inoffiziellen "Hafen-Trulla-Songwriterinnen-Contest" für sich entscheidet. Die Ternheim-Anna oder doch die Feist-Leslie :)
PPS:
Lustiges Bonmot: 2009 hab ich dem Album unter meinem damaligen Forumsnamen noch ne 9/10 gegeben :-D Das Konzert damals im Luxor , wo ich noch in einem Beitrag auf 75 Minuten Kurzweil gehofft habe, weil leider ein Flop, da zu 90% neue Songs gespielt wurde. Schade.
Die Hafen-Trulla
2021-04-11 01:49:09
Ich kenne nur den Nachfolger - der war der perfekte balance aus intimer Atmosphäre, wunderschönen Melodien und Popappeal.
Vllt höre ich mal in die anderen Alben rein
Felix H
2021-04-11 01:14:28
Hat sie ja nicht konsistent. "All The Way To Rio" war schon nah dran an den frühen Sachen, ist für mich zweitbestes Album.
"Shoreline" ist der beste Song überhaupt für mich.
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