
Madrugada - Live at Tralfamadore
Virgin / EMIVÖ: 03.02.2006
Mambo Kurt
Ich hatte einen äußerst dicken Mann erwartet. Eine Mischung aus Meat Loaf (figürlich) und Nick Cave (stimmlich). So stellte ich mir den Madrugada-Sänger Sivert Høyem vor, nachdem ich im Sommer 1999 unaufhörlich dem Madrugada-Debüt "Industrial silence" gelauscht hatte. Als sie dann im Spätsommer auf der Bühne des Haldern-Pop-Festivals standen, war ich ein wenig verwundert. Das sollen Madrugada sein? Schmächtig und verhältnismäßig klein stand er da und klammerte sich fast schüchtern an den Mikroständer. Ein schmales Hemd, dieser Sivert Høyem. Dabei singt er doch mit so voller Brust.
Vier Alben und einige Sprünge auf der Karriereleiter später veröffentlichen Madrugada nun ihr erstes Livealbum. Die Figur des Frontmanns hat sich kaum verändert. Der Sound von Madrugada jedoch ist seit dem Debüt ein Wechselbad der Rockstile. Mal dick aufgetragen, mal betont dünner Sound. Der Blues der frühen Jahre von "Industrial silence" und "The nightly disease", der schmutzige Rock von "Grit" und die Mischung aus beidem auf "The deep end". Diese musikalische Reise spiegelt auch "Live at Tralfamadore".
Wer auf der Landkarte nach diesem "Tralfamadore" sucht, der wird nicht fündig. Der Ort entstand in der Fiktion des amerikanischen Autors Kurt Vonnegut. Madrugada verwenden ihn deshalb, weil es sich bei diesem Bühnenmitschnitt um eine Sammlung verschiedener Konzerte handelt. Die besten Versionen der Konzerte aus Oslo und Brüssel wurden zusammengeschnitten. Nach einem nach vorne preschenden Opener "Hard to come back" folgt mit "Majesty" ein Song von einer der frühen EPs. Im Hintergrund vernimmt das intensiv lauschende Ohr einige Mitsinger. Ein schöner Moment. Prächtig auch "Strange colour blue". Der Song ist gewissermaßen Madrugadas Titelmelodie. Denn das Wort "Madrugada" ist spanisch und beschreibt jene Tageszeit, in der die Nacht dem Morgen Hallo sagt. Die blaue Stunde.! (Wobei dieser Rezension zugute gehalten werden muß, daß sie mit der Info über den Ursprung des Wortes Madrugada immerhin bis zum Ende des dritten Absaßes wartet.)
Auf der Bühne lebt die Band von ihrer tollen Instrumentenarbeit (das Gitarrensolo bei "Running out of time"), von der Spielfreude (der endlose Baßlauf von "Black mambo") und letztlich natürlich von der stimmlichen Leistung Høyems (im Gospelcover "Sometimes I feel like a motherless child"). Und jene Stimmen, die behaupten, Madrugada hätten im Laufe der Jahre an melodischer Emotionalität eingebüßt, müssen einfach "The kids are on high street" hören. Einer der schönsten Songs des Jahres 2005. Und obendrein auch in der Livefassung sehr mitreißend. So weit, so schön. Fragen wirft nur die zweite CD auf. Einem geschenkten Gaul sollte man nicht ins Maul schauen. Aber warum nur drei Songs? Warum ein zweites Mal "Black mambo"? Und dann wird auch noch das eigentlich schöne "Only when you're gone" durch das Auditorium total verhunzt. Zu komisch, wie einige Vollhorste schon deutlich applaudieren und Madrugada dann wieder in den Song einsteigen. Alles in allem dennoch ein Lob. Vonnegut würde es freuen: Schöne Konzerte feiert man da in Tralfamadore.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Majesty
- The kids are on high street
- Black mambo
Tracklist
- CD 1
- Hard to come back
- Majesty
- You better leave
- Strange colour blue
- On your side
- The kids are on High Street
- Seven seconds
- Mother of Earth
- Running out of time
- Black mambo
- Sometimes I feel like a motherless child
- Sail away
- CD 2
- Blood shot adult commitment
- Black mambo
- Only when you're gone
Im Forum kommentieren
Pat
2006-10-26 20:36:33
besser spät wie garnicht, aber ich habs jetzt auch... tolles live album, hat definitiv mehr aufmerksamkeit verdient.
allein majesty is mehr als großartig
hcrl
2006-03-23 10:16:51
meine 2lp wurde gestern verschickt. weiß zufällig jemand, ob die vier bonus-tracks der 2cd-version auch auf der lp enthalten sind?
bee
2006-02-23 15:15:36
ja - was ist los - hat's keiner gehört??
gut rockiges Americana Album mit sehr guten Gitarren (you better leave), bekannt intensiver Gesang (Strange colur blue), insgesamt gute live-stimmung und auch das Cover von Mother less child kann überzeugen - insgesamt für mich eine gute 8/10.
bee
2006-02-21 12:25:35
das ist ein wirklich sehr gutes live Album geworden!
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