Richard Ashcroft - Keys to the world

Parlophone / Capitol / EMI
VÖ: 20.01.2006
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Spaziergang

Kennen wir doch irgendwoher: ein flanierender Richard Ashcroft. Man erinnert sich an den "Bitter sweet symphony"-Videoclip. Doch trotz der Vertrautheit scheint das Coverfoto der dritten Soloplatte des Ex-The-Verve-Chefs eins dieser Suchbilder zu sein, bei denen es herauszufinden gilt, was nicht stimmt. Wo sind die anrempelbaren Passanten? Warum richtet Ashcroft seinen Blick nicht mehr in gedankenverlorener Entschlossenheit nach vorne, sondern - introvertiert, nachdenklich, schüchtern - nach unten? Und wo ist die extratighte Lederjacke? Statt dessen trägt er nun einen klassischen, unspektakulären Herrenmantel. Wenigstens verstaut er noch immer die Hände in den Taschen. Hortet er da etwa auch die "Keys to the world"?

Eins kann man Ashcroft auf alle Fälle nicht absprechen - er will Schulter an Schulter mit dem Essentiellen stehen: Erst war er "Alone with everybody" (2000), um schließlich nach ausgiebiger Einsamkeit die "Human conditions" (2002) zu erforschen. Nun vergleicht er sich mal eben im NME mit Jesus. Und da er ja nun die Schlüssel zur Welt besitzt, soll diese Welt bitteschön erstmal ein bißchen besser werden, bevor er sie aufschließt. Da sind zunächst die verlogenen Politiker, die dem Familienvater das Gesicht noch mehr als sonst zerfurchen: Im Opener "Why not nothing?" heißt es dann auch "I ain't got time for your politics / Your masquerade, your Machiavellian tricks / Good bye." Eine peitschende, geradlinige Rock'n'Roll-Nummer, die auf zwei Riffs basiert. Doch trotz ihrer sympathisch rotzigen Leidenschaft wirkt sie genauso abgedroschen wie die ewigen Klagen über die Unfähigkeit der Mächtigen.

Daß das richtige Sample Wunder wirken und vor allem einen Hit nähren kann, weiß Ashcroft aus Erfahrung. Dieses Mal soll's eine Curtis-Mayfield-Leihgabe richten: "Music is power" vermählt in einer soulig-groovenden Zeremonie Streicher und Bläser und gibt selbstbewußt den Gutmenschen: Musik ist nämlich viel mächtiger als die da oben. Wenn auch keine Passanten zum Anrempeln da sind, steht Ashcroft das musikalische Klischee bedauerlicherweise oft genug im Weg herum. Allzu glatt produziert und wenig überraschend ist das alles. Die Raus-aus-der-Depression-Nummer "Break the night with colour" ist da - trotz ihrer verwirrenden Bon-Jovi-Momente - noch ein Highlight. Vor allem, weil Ashcroft sich bei ihr auf verhältnismäßig spartanische Instrumentierung konzentriert und auf den sonst so gerne eingesetzten Violinen-Schwarm verzichtet.

"Words just get in the way" verzaubert mit glitzerndem Pianogeperle und entzaubert gleich wieder in Gestalt einer durchkalkuliert rührseligen Schunkelballade. Würde einem die Enttäuschung nicht die Freude an niveaulosen Witzen verderben, man könnte glatt mal nach der Gemeinsamkeit eines Schlüssels und eines Songs wie "Words just get in the way" fragen. Der Bart. Haha. Dann naht der Tiefpunkt der Platte: Der Titeltrack "Keys to the world" klingt nun wirklich nach einer dieser seltsamen neuen Starsailor-Rocksongs. Ganz andere Töne schlägt "Sweet brother Malcolm" an: folkig, dylanesk, ruhig. Ein traurig-schönes Lied über "das verlorene England: "Where there's life / Madness will reign."

Die düstere Klaviernummer "Cry till the morning" wird in "Why do lovers?" fortgesetzt, bei dessen Intro man sich sofort fragt, ob das nicht vielleicht doch Cat Stevens sein könnte, der sich an "Piano man" versucht. Der "Simple song" hält mit interessanter rhythmischer Struktur wesentlich mehr, als er verspricht. Doch die aufkeimende Hoffnung auf ein doch noch spektakuläres Finale, das man Ashcroft noch immer jederzeit zutrauen würde, erweist sich als unberechtigt. "World keeps turning" ist eine weitere streicherumsäumte Ballade. Der klassische Herrenmantel unter den Popsongs. Kennen wir doch irgendwoher. Vermutlich wird "Keys to the world" trotzdem das erste kommerziell erfolgreiche Ashcroft-Soloalbum - er ist radiotauglich wie noch nie. Und mal ehrlich, kann man es einem Familienvater übelnehmen, wenn er an die finanzielle Absicherung seiner Sprößlinge denkt?

(Ina Simone Mautz)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Break the night with colour
  • Simple song

Tracklist

  1. Why not nothing?
  2. Music is power
  3. Break the night with colour
  4. Words just get in the way
  5. Keys to the world
  6. Sweet brother Malcolm
  7. Cry til the morning
  8. Why do lovers?
  9. Simple song
  10. World keeps turning
Gesamtspielzeit: 44:24 min

Im Forum kommentieren

Loam Galligulla

2007-01-28 13:36:43

Ja, das mit dem Kaffee passt mittlerweile wirklich zu seiner Musik. Der hat einen soooooo dicken kenn-ich-schon stempel. Trotzdem freut man sich dieses jahr wieder auf sein neues.

antje

2007-01-28 12:55:00

Hallöchen..schön meinesgleichen hier gefunden zu haben.Richard gehört zu meinem Leben dazu,wie mein heißer Kaffee am Morgen.Ich war am 1.11 06 in Köln beim Konzert und weil es mich wieder einmal begeistert hat...war ich sehr froh einen England Aufenthalt mit einem ASHCROFT Konzert am 3.12.06 in Birmingham verbinden zu können..Dieses fand in einer Arena statt und war um ein vielfaches grösser als in Kölle.Zum Glück stand ich im Innenraum und hatte einen guten Platz..ich kanns das nächste mal kaum erwarten.Ich bin kein fanatischer Fan,aber ich muss sagen,daß mich seine Musik wirklich glücklich macht...seine warme,angenehme Simme---als ob ein guter Freund,sein Hand auf mein Schulter legt...

noel

2006-10-22 00:37:28

sher gute scheibe.

musie

2006-10-20 15:40:37

hab noch ein ticket für zürich, falls jemand eins braucht. preisvorstellung um den normalpreis (war 50 franken)

Matthias

2006-10-14 16:05:14

Weiß jemand, in welcher Bandbesetzung er kommt? Bei dem Preis kann man Streicher schon erwarten, aber sind sie auch dabei? Find nirgendwo was...

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