Tortoise & Bonnie 'Prince' Billy - The brave and the bold

Domino / Rough Trade
VÖ: 20.01.2006
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Gegen Sätze

Was war das für eine Überraschung zum Ende des Jahres 2005, als uns jene Nachricht ereilte! Die fünf Postrocker von Tortoise aus Chicago spielen zusammen mit dem Countrykautz Bonnie 'Prince' Billy aus Louisville ein Album ein. Welch ein Gegensatz! Auf der einen Seite die spartanische Version des Indierocks in Form des ewig sich wandelnden Bonnie 'Prince' Billy (auch bekannt als Will Oldham, Palace Music, Palace Brothers undundund). Auf der anderen Seite die vertrackte und opulente Sound-Architektur von Tortoise. Seien wir mal ehrlich: Das klingt nach verdammtem Ärger, nach extremen Differenzen und stilistischer Unvereinbarkeit. Zum Glück bewahrheitet sich jedoch ab und an das Sprichwort der sich anziehenden Gegensätze. Wir geben also Entwarnung:, denn diese zwei Protagonisten hier vertragen sich prächtig. Bonnie 'Prince' Billy und Tortoise haben ein wunderbares Album gemacht. Es heißt "The brave and the bold". "Brave" sind sie beide und "bold" sowieso.

Die Herangehensweise an dieses Projekt wurde wahrscheinlich dadurch erleichtert, daß es allesamt Coversongs sind, die sich auf diesem Album tummeln. Gemeinsam versucht man sich an einem bereits existierenden Original. Das mindert Konfliktpotentiale. Gemeinsamer Nenner: Alle Lieder klingen leicht neben der Spur. Das musikalische Gefüge wackelt, aber es fällt nicht um. Mal dominiert der jazzige Krautrock, dann verschreibt sich die Konstellation ganz dem Country, und dann wieder ist es verschrobener Postrock. Ein sich windendes Biest, diese Platte.

Die Urheber der zehn Titel sind so unterschiedliche Artisten wie Bruce Springsteen ("Thunder road", brillant, aber fast unerkannt), Elton John ("Daniel", schön schräg und übersteuert) oder Devo ("That's pep", völlig durchgeknallt). Los geht es aber mit "Cravo è canela". Das klingt, als hätten sich Motorpsycho mal ganz kräftig mit Sangria betrunken. An Höhepunkten ist dieses Album nicht arm. Die kleinen Highlights sind "Pancho", geschrieben von Dave Hanner, im Original gesungen von Don Williams, und der Melanie-Safka-Song "(Some say) I got devil". Traurig wundervoll. Ein Album also, das aller rohdiamantischen Ungeschliffenheit zum Trotz an mancher Stelle erfreulich sehr hell strahlt, auch wenn es manchem Song dann doch an Eingängigkeit mangelt.

Was ist nun das Geheimnis dieses unwahrscheinlichen Sechs-Mann-Orchesters? Es ist wahrscheinlich die eingangs erwähnte vermeintliche Unvereinbarkeit der Sound-Gegensätze, die sich dennoch prächtig fügen. Wie ein Puzzle mit Wasserfarben. Oder ein Dominospiel mit Magneten. So stellt sich beim Hörer immerfort das Gefühl ein, daß keiner der Beiden sein musikalisches Feld restlos aufgeben will. Als wollten beide so viel wie möglich an Identität in dieses Projekt stecken. Bis zum Umfallen. Freudiges Fazit: Die Kollaboration kollabiert bis zur letzten Sekunde des Albums nicht.

(Sebastian Peters)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Thunder road
  • Pancho
  • (Some say) I got devil

Tracklist

  1. Crave è canela
  2. Thunder road
  3. It's expected
  4. I'm gone
  5. Daniel
  6. Love is love
  7. Pancho
  8. That's pep
  9. (Some say) I got devil
  10. The calvary cross
  11. On my own
Gesamtspielzeit: 61:10 min

Im Forum kommentieren

Susu

2006-08-09 15:34:39

Inzwischen muss ich zwischendurch abwechselnd schmunzeln, schwelgen und staunen - zuletzt so passiert beim letzten Flaming Lips Album. Neee, ehrlich, ich mag "The Brave And The Bold".

Susu

2006-08-08 08:35:01

Ich find das Album ziemlich stark. Nicht grad eingängig am Anfang, aber es legt nach ein paar Hördurchgängen ordentlich zu. Alle Achtung!

bee

2006-01-25 17:13:12

also ich finde die Platte auch nicht geglückt - die beiden Stile doch stehen ziemlich unvermittelt nebeneinander - irgendwie passt das nicht zusammen.

sadcaper

2006-01-23 21:27:54

Mag Bonnie sonst sehr, aber das Album, insbesondere Thunder Road, lächerlich.

evilboo

2006-01-22 21:30:09

Finde die Platte nach mehrmaligem hören sehr gut. Manches ist zwar schon sehr skurill (That's pep!, der Opener), manches eigentlich nicht weit weg vom eigentlichen Schaffen der Künstler. "Calvary Cross oder Some Say könnten auch ohne Tortoise entstanden sein. Besten Lieder sind meiner Meinung nach:
Love is Love
Some say (i got devil)
Thunderroad

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