Lily Holbrook - Everything was beautiful and nothing hurt

Back Porch / Virgin / EMI
VÖ: 04.07.2005
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Little earthquakes

Es gibt Künstlerinnen, die sind zum richtigen Zeit am richtigen Ort. Lernen die idealen Leute kennen, haben die passenden Förderer, die besten Marketing-Manager. Und vor allem wird ihnen auch noch das nötige Quentchen Glück zuteil. Sie räumen mehr Grammys ab, als sie tragen können, brennen ihre Namen in die Airplay-Charts ein und machen doch nichts anders und wenig besser als die anderen. Es gibt Künstlerinnen, die werden mit harmlosen Nettigkeiten und mit gepflegter Langeweile zu Millionärinnen. Wer immer noch keine Vorstellung hat, wer gemeint sein könnte, der möge doch mal bei Norah Jones und Katie Melua anrufen und nachfragen. Und danach gleich deren Telefonnummern rübermailen.

Würde man Katie Meluas "Nine million bicycles" im Formatradio heimlich durch "Running into walls" von Lily Holbrook ersetzen, würde davon der geneigten Hausfrau auch nicht das Bügeleisen aus der Hand fallen. Im Gegenteil: Sie würde es entzückt in die Höhe recken, im Takt durch die Luft schwenken, sich im Kabel verheddern, das Bügeleisen auf die "Neue Post" fallen lassen und die Wohnung in Brand stecken. Die meisten Unfälle passieren im Haushalt. Da hat Musik, die dessen Protagonisten aus der Ruhe bringt, nichts zu suchen. Vielleicht sind Norah Jones und Katie Melua auch deswegen so erfolgreich.

Lily Holbrook zählt zu einer anderen Spezies. Zu der Sorte Künstlerinnen, denen das Glück und all die anderen erfolgversprechenden Dinge fehlt. Die nichts als ihr Talent hat. Ihr Zweitling wurde zwar in Deutschland immerhin veröffentlicht, jedoch mit aller Konsequenz ignoriert. Beim deutschen Vertrieb, dem Musikgiganten EMI, wurde das Album in die Jazzsparte abgeschoben, wo es natürlich völlig falsch aufgehoben ist. Vielmehr gehört es in jedes gutsortiertes deutsche Regal mit subtiler Frauenmusik, würde sich pudelwohl fühlen zwischen Shawn Colvin, Sophie Zelmani, Martha Wainwright und Emiliana Torrini. Nicht nur, weil die Mittzwanzigerin aus Los Angeles schnuckliger aussieht als die genannten vier zusammen.

Besonders schön ist jenes "Cowboys and indians", das die gutmütige Lily zusammen mit zwei anderen Kostproben sogar auf ihrer Homepage verschenkt. Wenn man eine derart kitschige Refrainzeile wie "Cowboys and indians / Love each other like sister and brother / When thou shalt not kill unless it's what we crave" einfach so hinnimmt und sogar rührend findet, ist schon Besonderes gelungen. Ähnliches gilt für "Mama, I'm coming home" von Ozzy Osbourne (!), das Lily Holbrook mit Samthandschuhen anfaßt. Auch wenn die Texte weit abgründiger sind, als sie zunächst scheinen: Archetypische Wintermusik ist das.

Vorherrschend sind Akustikgitarre und Piano. Vor allem im sechsminütigen "Mermaid" nehmen sich die Klänge der Tasten ganz viel Platz. Und wenn Lily Holbrook immer wieder wie in "Better left unsaid" im Refrain mit ihrem entrückten, von Echo durchsetzten Alter Ego duettiert, sind die "Little earthquakes" von Tori Amos nicht weit. Daß "When in Rome" unnötig das Tempo anzieht wie bei einem No-Doubt-Outtake, verzeiht man Lily Holbrook gerne. Sie braucht nun wirklich keine Anbiederung, keine Radiosingle. Sie braucht nur die passenden Förderer oder wenigstens ein paar Fans. Als kleine Hilfe sind diese Zeilen hier gedacht. Auch wenn's mit einem halben Jahr Verspätung kommt: Lily Holbrook soll wenigstens einmal zur richtigen Zeit (jetzt) am richtigen Ort (hier auf Plattentests.de) sein. Vielleicht auch bald noch anderswo. Dort? Da drüben? Oder bei Dir?

(Armin Linder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Running into walls
  • Cowboys and indians

Tracklist

  1. Welcome to the slaughterhouse
  2. Running into walls
  3. Make them wonder
  4. Better left unsaid
  5. Cowboys and indians
  6. Bleed
  7. Mermaid
  8. Mama, I'm coming home
  9. When in Rome
  10. Three inch heels
Gesamtspielzeit: 43:55 min

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