Jens Lekman - Oh you're so silent Jens

Secretly Canadian / Cargo
VÖ: 16.12.2005
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Aus und vorbei

Eigentlich ist Jens Lekman gerade dabei, so etwas ähnliches wie das neue Sweetheart der linksdrehenden Singer/Songwriter-Szene zu werden. Die amerikanische Indie-Presse drückt ihm reichlich Fleiß-Stempelchen ins Songbook, auf seinen Konzerten kann bald keiner mehr rauchen, ohne fünf andere anzustecken, und ein neues Album hat der Schwede auch schon fast wieder fertig. Es gibt da nur ein Problem: Lekman hat soeben und bis auf weiteres seine Karriere beendet. Alle Instrumente verkauft, sämtliche Shows abgesagt. Selbst die Platte liegt auf Eis. Gefällt ihm nicht mehr, genau wie das Tournee-Leben. Deshalb sucht er jetzt einen Job, und uns bleibt nur sein, ähem, Vermächtnis: "Oh you're so silent Jens", 16 Songs aus alten EPs, die so großartig sind, daß man schreien möchte vor Freude und Ärger. Ein komischer Typ ist das.

Nähert man sich der Sache von oben, ist erstmal festzuhalten: Jens Lekman ist wie Sufjan Stevens, er macht nur alles anders. Wie beim Kollegen aus Michigan brauchen auch seine Songs nicht viele Instrumente, sind aber mitunter trotzdem voll davon. Wo Stevens dann allerdings von Krebskranken, Massenmördern und natürlich Amerika singt, erzählt Lekman lieber Witze, die ihm nicht mehr einfallen, erinnert sich an Warren Gs "Regulate" und lamentiert ein bißchen, weil er den Funky-Chicken-Tanz nicht auf Reihe kriegt. Anders gesagt: Hier ist alles ganz leicht, passiert einfach und ungezwungen. Und wird mit einer Spielfreude vorgeführt, die Diego Maradona im Traum nicht eingefallen wäre. Um jetzt auch mal den wieder zu nennen.

"Oh you're so silent Jens" ist jedenfalls so voll mit schrägen Ideen, verdrehten Verrücktheiten und krummen Hirngespinsten, daß es mitunter schon an eine ausgemachte Frechheit grenzt. "The wrong hands" schlängelt sich erst durch ein erschlagend schweres Streicherintro, macht dann kurz Hawaii-Musik für die lokale Senioren-Bingo-Meisterschaft und führt beides schließlich so selbstverständlich zusammen, daß man … ja, daß man erstmal fertig ist. Das lustige Bläserscheuchen von "A sweet summer's night on Hammer Hill" dribbelt sich im Takt seines Herzschlags einen windschiefen Sommerhit zurecht, der locker bis in den nächsten Oktober hineinreicht. Und in "Pocketful of money" fingerschnipst Lekman so verlassen und verloren vor sich hin, daß man schon einen ganz schönen Schrecken kriegt, wenn ihm plötzlich ein ausgewachsener Brummbär den Arm um die Schulter legt. Jetzt bloß nicht bewegen.

Man übersieht das leicht bei all diesen Dingen, die dringend mal jemandem einfallen mußten: Lekman ist nicht bloß das schief gewickelte Schlitzohr, das mit verschmitzten Kleinigkeiten wie der kurzen Lou-Reed-Verbeugung aus "I saw her in the anti war demonstration" um sich wirft. Vor allem ist das ein neurosenbeladener Kerl wie Du und ich, dem die Songs direkt aus einem kaputten Herzen in den Schoß fallen. Was hier lustig ist, ist im besten Fall Galgenhumor. Und was hier wehtut, wird so schnell auch nicht verheilen. Es ist eine seltsame Art von Spaß, die man mit diesem Mann haben kann.

Dabei ist es vor allem Lekmans schwere, verlebte Stimme, die einem Angst machen kann, weil sie nach mehr Alkohol klingt, als man mit 24 getrunken haben sollte. Sie bricht weg mitunter, schaukelt und versagt, ist aber doch sein größtes As, wenn er erstmal am Cembalo das grandiose "Black cab" vertändelt: "I killed the party again / I ruined it for my friends / 'Oh, you're so silent, Jens' / Well, maybe I am / Maybe I am." Singt's und spuckt Leonard Cohen neben den Aschenbecher. Dieser Mann soll nie wieder einen Song schreiben? Glauben wir im Traum nicht. Und antworten deshalb weiterhin, wenn jemand fragt, wie viele Songwriter man braucht, um eine Glühbirne auszuwechseln: Nur diesen einen hier. Der bringt den Saal schon zum Leuchten.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Pocketful of money
  • Black cab
  • A sweet summer's night on Hammer Hill
  • The wrong hands

Tracklist

  1. At the dept. of forgotten songs
  2. Maple leaves (7" version)
  3. Sky phenomenon
  4. Pocketful of money
  5. Black cab
  6. Someone to share my life with
  7. Rocky Dennis' farewell song
  8. Rocky Dennis in heaven
  9. Jens Lekman's farewell song to Rocky Dennis
  10. Julie (Rmx)
  11. I saw her in the anit war demonstration
  12. A sweet summer's night on Hammer Hill
  13. A man walks into a bar
  14. Another sweet summer's night on Hammer Hill
  15. F-word
  16. The wrong hands
Gesamtspielzeit: 59:46 min

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