Babyshambles - Down in Albion
Rough Trade / Sanctuary / Rough TradeVÖ: 18.11.2005
Peterchens Mondfahrt
Es ist die Zeit der Hobby-Psychologen, der Haus-Mediziner und Freizeit-Pharmazeuten. Jeder hat einen Ratschlag für Pete Doherty, alle wissen, was er braucht, und doch kann ihm keiner weiterhelfen. Englands Yellow Press ist immer in seiner Nähe, die Totengräberschaufel geschultert. Selbst im Kabel-1-Text begegnen einem seine Verfehlungen mittlerweile, selbst wenn man nur herausfinden will, wann eigentlich "Seinfeld" anfängt. Die Musik ist hier nicht halb so wichtig wie die nächste Sensationsmeldung, sie ist es nie gewesen und wird es nie sein. Aber selbst unsereins wird sich beim Hören von "Down in Albion" dabei ertappen, die Platte lesen zu wollen wie ein Doktor seine Krankenblätter. Immer auf der Suche nach Symptomen, Hinweisen und kodierten Hilferufen. Versuchen wir, uns davon frei zu machen. Wenigstens für die nächsten drei Absätze.
Nur wenige wirklich eindeutige Dinge lassen sich über "Down in Albion" sagen. Ständig nimmt es Bezug auf die Libertines, kreist um alte Geschichten und Textzeilen. Die Musik ist dabei ähnlich schnoddrig und hibbelig wie auf deren Platten, voller Brüche und offener Wunden, meist sogar noch einen Schuß zerfahrener und schlampiger. Aber festgeklammert hat sich Doherty trotzdem nicht am Vermächtnis der ehemaligen Band. Eher klingen seine Babyshambles wie die Libertines nach vier Wochen Karibik-Urlaub. Sie lassen sich mehr Zeit, scheinen überhaupt gelöster zu sein. Ihre Songs sind länger, oft auch leiser. Und sie haben ein paar Farben mehr auf der Palette.
Leicht hat man es deshalb aber noch lange nicht mit dieser Platte. Gerade weil sie selbst so unkonzentriert und verlümmelt ist, ziehen die Songs anfangs schneller vorbei, als man sie zu packen kriegt. Doherty strauchelt, eventuell, er scheint die Orientierung zu verlieren und diesen Moment fürs erste nur in der grandiosen Selbstzerstörung von "Fuck forever" festhalten zu können. Drum herum ist viel Fahriges, der launige, schleierhaft verlaufene Auftakt mit "La belle et la bête" und wackligem Gesäusel von Kate Moss. Oder die tapsige Reggae-Anmerkung "Sticks and stones", die ziemlich plötzlich der Hafer sticht. Aber irgendwann schlägt Dohertys Gitarre doch wieder zu. Läßt eine ungezogene Melodie fallen, deutet sie vielleicht auch nur an. Und dann kommt das Album. Sogar richtig.
Wie nahe sich das Genie und der Trottel in Doherty dabei stehen, kann man vielleicht begreifen, wenn der neckischen Lausbuben-Romantik von "In love with a feeling" mit "Pentonville" vier unerklärliche Minuten Raggamuffin folgen. Sie kippen beinahe das ganze Album, werfen alles über den Haufen, was bisher passiert war. Und taugen gerade deshalb zum entscheidenden Knackpunkt. Die vielen Schönheitsfehler der Platte spielen danach keine Rolle mehr, man kann neu anfangen mit ihr und verloren gehen in einer großartigen zweiten Hälfte, die ganz ohne richtige Rocksongs auskommt. Und stattdessen mit "Albion" Dohertys wunderbar verstiegene Utopie eines besseren Englands versteckt hält. Vorgetragen als sein Bob-Dylan-Song. Getrübt durch die Singalongs eines vollgetankten Kneipenchors. Das Genie und der Trottel. "It's one and the same."
Highlights & Tracklist
Highlights
- Fuck forever
- Albion
- Back from the dead
Tracklist
- La belle et la bête
- Fuck forever
- A'rebours
- The 32nd of December
- Pipedown
- Sticks and stones
- Killamangiro
- 8 dead boys
- In love with a feeling
- Pentonville
- What Katy did next
- Albion
- Back from the dead
- Loyalty song
- Up the morning
- Merry go round
Im Forum kommentieren
Kojiro
2021-07-12 18:29:05
"Sympathisch verballert" trifft's eigentlich sehr gut. Sehe die Libertines-Alben ebenfalls vorne, aber mag's trotzdem. Auch, weil man eben ne tolle Zeit mit der Musik verbindet.
dreckskerl
2021-07-12 16:56:22
Für mich ist das klar beste Babyshamblesalbum "Shotter's Nation"
Felix H
2021-07-12 16:52:52
Immer noch zu lang, aber einzelne Tracks schon sehr gut.
The MACHINA of God
2021-07-12 16:28:20
Immer noch ein interessantes und sympathsich verballertes Album, was aber an die beiden ersten Libertines-Platten nicht rankommt.
MopedTobias (Marvin)
2021-07-11 00:37:05
Immer noch besser als alle Libertines-Alben
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