Flachs - Ich bring mich nach Hause
Flachs / HasselVÖ: 05.09.2005
Dreiblättriges Kleeblatt
Das Redaktionsheadquarter vor einigen Monaten: Der Postbote ächzt mal wieder unter einer schweren Last von gepolsterten Briefumschlägen. Beim Auspacken mit dabei: "Ich bring mich nach Hause", das Album einer jungen Zwickauer Band, das leider keinen regulären Vertrieb vorzuweisen hat und nicht im Laden, sondern nur über den homepageeigenen Mailorder zu erhalten ist. Noch immer treffen mehrmals pro Woche solche Eigenproduktionen hier ein, auch wenn der Standpunkt bekannt sein dürfte: Verwerflicherweise verweigert sich Plattentests.de der Nachwuchsförderung und rezensiert vertriebslose CDs grundsätzlich nur in seltensten Ausnahmefällen. Aus Kapazitätsgründen und weil es eben keinen Sinn macht, Platten zu besprechen, die fast nirgends kaufbar sind.
Reingehört wird natürlich trotzdem. Man will ja nicht die eventuellen Chartsstürmer und Indie-Heroen von morgen oder übermorgen verpassen. Auch wenn man oft genug feststellt, daß manche Band ohne Plattenvertrag zu recht eine Band ohne Plattenvertrag ist und auch besser für immer eine Band ohne Plattenvertrag bleiben sollte. Nicht so im Falle von Flachs. Denn die sympathische Postsendung mit der in sympathischem Artwork gehaltenen CD und dem sympathischen Bandfoto mit der sympathischen Sängerin sollte auch äußerst sympathische Musik enthalten. Da ging dann eine spontane E-Mail in Richtung von flachsmusic.de. Sinngemäß: "Hab Eure CD gehört, ist recht vielversprechend. Vor allem dieses 'Mein Herz kollabiert' da. Ist aber auch ein Hit! Habt Ihr's schonmal bei den Majorlabels versucht? Die müßten einem doch derartigen deutschsprachigen Pop mit Frauenstimme zur Zeit aus den Händen reißen."
Haben sie nicht. Traurig, aber wahr. Die dick dotierten Verträge kriegen immer die Falschen, während Flachs alles andere als vom Glück verfolgt sind. Immerhin haben sie inzwischen einen Winz-Vertrieb aufgetan und ist "Ich bring mich nach Hause" jetzt bei Amazon oder auch im Kaufhof in Castrop-Rauxel kauf- oder zumindest bestellbar. Für Freunde deutscher Popmusik ist es definitiv eine bessere Wahl als das Silbermond-Debüt "Verschwende Deine Zeit". Auch wenn man die zwölf Songs locker auf eine tolle EP zusammendampfen könnte und Moni Leistner nicht selten am Ton vorbeisingt. Aber selbst das macht sie sympathisch.
Immer wieder blitzt Können auf in diesem liebenswürdigen Pop zwischen Klee, Wir Sind Helden und Mia., dem man eine professionellere Produktion wünschen würde. In "20 Meter Zelluloid", das mit einem sinnigen cineastischen Zwiegespräch beginnt: "Du hast gerade eine ganze Rockband erschossen, Arvid" - "Naja, es gibt sowieso zu viele." Auch im entschlossenen "Gegen die Wand". Und nicht zuletzt im erwähnten "Mein Herz kollabiert", das durch flotte Bläser brilliert und durch einen schwelgerischen Text: "Die Zeit wird's schon bringen / Ich seh's an den Dingen / Hast Dir Tomte gekauft, Memento geschaut / Das ist zwar nicht alles und doch ganz schön viel." Jaja, die Zeit wird's schon bringen. Demnächst auch einen Rerelease drüben beim Majorlabel? Vielleicht. Wenn "Potential" für die A&Rs denn nicht nur wirtschaftliches, sondern auch künstlerisches meint, dann ja. Daumen drücken!
Highlights & Tracklist
Highlights
- Mein Herz kollabiert
- 20 Meter Zelluloid
Tracklist
- Alles ok
- Mein Herz kollabiert
- Für 3 Sekunden
- Utopia
- 20 Meter Zelluloid
- Frauen im Kunstlicht
- Was wolltest du wissen?
- Antiphysik
- Gegen die Wand
- Explodieren
- Nicht die Nacht
- Auf dem Weg