Sigur Rós - Ágætis byrjun

Fat Cat / PIAS
VÖ: 04.09.2000
Unsere Bewertung: 9/10
9/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Das Wunder der Geburt

Sanft schwebt der Embryo im Mutterleib. Wohlbehütet und von behaglicher Wärme umgeben ahnt er nichts von einer Welt, die er lediglich durch dumpfe Klänge wahrnimmt. Beruhigende Töne dringen in die noch lange nicht voll entwickelten Ohren. Bald versucht er, das Klopfen seines Herzens dem Herzschlag seiner Mutter anzupassen. Liebevoll legt sie die Hand auf ihren Bauch und versucht, das heranwachsende Leben zu erfühlen. In eine warme Decke eingekuschelt legt sie sich - immer noch die Hand auf dem Bauch - auf die Couch und lauscht den Klängen, die ihr zärtlich aus den Boxen entgegenwabern...

Natürlich hat das Wesen auf dem Cover des Albums nicht wirklich Ähnlichkeit mit einem menschlichen Fötus, aber die Musik von Sigur Rós ist auch nicht wirklich mit platten Worten zu beschreiben. Ergriffenheit macht sich breit, wenn die tieftraurigen Vocals von Sänger Jon Thor Birgissons in schwindelerregende Höhen klettern. Liebevoll gestreichelte Gitarrenklänge, schwermütige Streicher, zärtlich gedrückte Tasten und weiche Jazzbesen fließen ineinander, umschwebt von hymnischen Melodien jenseits aller Schemata von Pop und Rock. Musik wie eine Wolke.

Die wolkenweichen Klänge durchfluten den Zuhörer mit einer Wärme, die zu überraschen weiß, bedenkt man, daß Sigur Rós aus dem eiskalten Land der tausend Vulkane kommen. Hoch über Island schweben die musikalischen Kleinode - von Songs mag man ob ihrer Breite nicht reden - und betrachten die unter ihnen liegende Welt. Befreit von jeder Hektik lassen sie sich genau die Zeit, die sie brauchen, um sich schmetterlingsgleich zu entfalten und sanft über die sich aufrichtende Gänsehaut zu hauchen.

Der Kontinentaleuropäer wird beachtliche Schwierigkeiten haben, die einzelnen Songtitel unfallfrei auszusprechen. Dennoch sollten Gemälde wie "Hjartað hamast" oder "Viðrar vel til loftarasa" Grund genug sein, einfach die Augen zu schließen, die Luft anzuhalten und die handgemalte Stille von "Ágætis byrjun" genießen zu können. Langsam atmend und der andächtigen Ruhe dieser Musik gewordenen Sanftheit lauschend, mag sich der eine oder andere in einem unbeobachteten Moment versucht fühlen, mit den plötzlich wachsenden Flügeln zu schlagen und davonzufliegen. Ob es solche Engel sind, von denen in "Svefn-g-englar" gesungen wird, läßt sich schwerlich sagen. Wie Ikarus begleiten sie die himmlischen Melodien und steigen immer höher und höher. Der Sonne entgegen.

(Oliver Ding)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Svefn-g-englar
  • Starálfur
  • Hjartað hamast (Bamm bamm bamm)
  • Olsen Olsen

Tracklist

  1. Svefn-g-englar
  2. Starálfur
  3. Flugufrelsarinn
  4. Ný batterí
  5. Hjartað hamast (Bamm bamm bamm)
  6. Viðrar vel til loftárása
  7. Olsen Olsen
  8. Ágætis byrjun
  9. Avalon
Gesamtspielzeit: 71:54 min

Im Forum kommentieren

fakeboy

2022-11-14 20:39:46

Läuft hier mal wieder. Sehr schön. Bei Staralfur muss ich immer an Life Aquatic with Steve Zissou denken. So ne grossartige Filmszene.

Huhn vom Hof

2022-11-07 13:34:25

Edit: überrennt

Huhn vom Hof

2022-11-07 13:29:22

Wirklich ein unfassbarer Song. Wenn Jonsi die letzten Zeilen singt, das Schlagzeug wieder einsetzt und die Echogitarre einen völlig überrannt. Dazu noch die Streicher, die zum Schluss durchdrehen. Ein Meisterwerk.

The MACHINA of God

2022-11-07 11:28:52

"Viðrar vel til loftárása" ist wohl das intensivste Stück Musik, das ich kenne.

Wier verstehen uns. Dieser Teil ab dem ruhigen Klavier, der dann in diesen unglaubliches Ausbruch übergeht mit diesen Gitarrenwellen... das ist wirklich für mich der wohl intensivste Moment der Musikgeschichte. Wie oft ich das schon irgendwo gehört hab. Und es geht einfach nicht laut genug.

VelvetCell

2022-11-06 17:21:36

"Viðrar vel til loftárása" ist wirklich außerirdisch. Was für ein Song!

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